Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches
für seine Existenz. Seit Jahrzehnten wird darüber ebenso heftig wie ergebnislos diskutiert. War Shakespeare Shakespeare? Stammt sein dramatisches CEuvre überhaupt von ihm? Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage. Vielleicht verdanken wir diese gewaltigen Tragödien, diese Gipfel der dramatischen Weltliteratur, irgendeinem unbekannten Scharlatan, einem Dilettanten, der nichts vom Theater verstanden hat?
Die internationale Presse tut gut daran, den Fall immer wieder aufzugreifen. Ich selbst schlage die führenden Gazetten jedesmal mit der prickelnden Erwartung auf, etwas Neues über die Causa Shakespeare zu erfahren. Und ich werde selten enttäuscht. Wie es scheint, neigt der Londoner »Observer« nunmehr endgültig der Meinung zu, daß Christopher Marlowe Shakespeare war. Demgegenüber setzt die »New York Times« auf Sir Walter Raleigh, der »Osservatore Romano« favorisiert Columbus, und die »Jerusalem Post« hat kürzlich angedeutet, daß der vielseitige Bürgermeister von Jerusalem etwas mit der Sache zu tun haben könnte. Jedenfalls sind die Nachforschungen noch lange nicht beendet.
Was mich betrifft, so bin ich aufgrund langjähriger Quellenstudien überzeugt, daß Shakespeare die Theaterstücke, die unter seinem Namen laufen, tatsächlich nicht geschrieben hat, sondern daß sie von einem ändern Autor stammen, der - wie der Zufall will - desgleichen den Namen Shakespeare trug. Dieser andere Shakespeare hat außerdem das Globe Theatre geleitet, die dankbarsten Rollen in den von ihm verfaßten Stück gespielt und sich überhaupt so benommen, als ob er Shakespeare wäre.
Ich halte meine These für genauso gut wie alle übrigen, wenn nicht für besser. Denn sie beweist, daß die Person des Autors unwichtig ist. Wenn er's nicht macht, dann macht's eben ein anderer.
O Solo mio
Unser verehrter Kollege Shakespeare, wer immer er gewesen sein mag, besaß auf jeden Fall ein Talent, um das ihn seine sämtlichen Nachfahren beneiden: Dadurch, daß er die Hauptrollen in seinen eigenen Stücken übernahm, ersparte er sich eine schwere Menge von Unannehmlichkeiten.
Das heutige Theater steht im Zeichen des Stars. Er beherrscht es unumschränkt, er kann jeden beliebigen Druck ausüben, er erpreßt, er stellt Bedingungen, er ist eine Lobby auf zwei Beinen. Ich habe das am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Eines Tags bat mich der Intendant eines unserer Musiktheater zu sich und wollte mit mir über ein Musical sprechen. Ich teilte ihm unverzüglich mit, daß ich noch nie im Leben ein Musical geschrieben habe, und daß es mir außerdem in der Seele zuwider ist, wenn Menschen auf der Bühne plötzlich ohne die leiseste Veranlassung zu singen oder zu tanzen beginnen.
Auf meinen Gesprächspartner machte das keinen Eindruck.
»Jeder Mensch«, sagte er, »kann ein Musical schreiben. Es ist das Einfachste auf der Welt. In der Oper pflegt mindestens einer der beiden Liebenden am Schluß zu sterben. Das Musical beruht auf dem Prinzip, daß beide gerettet werden. Versuchen Sie's. Es wird Ihnen bestimmt gelingen. In die Wahl des Sujets will ich Ihnen nicht dreinreden, aber es wäre wünschenswert, daß die Geschichte in Puerto Rico spielt, weil Puerto Rico >in< ist... «
An dieser Stelle unseres Gesprächs erschien der persönliche Referent des Intendanten mit einer Botschaft von Mme. Schinowski, des Inhalts, daß sie, Felicitas Schinowski, sofort aus der geplanten Produktion ausscheiden würde, wenn man ihr das Solo im zweiten Finale entzöge, denn dieses Solo sei eigens für sie geschrieben worden.
»Entschuldigen Sie«, fragte ich, »von welchem Finale ist hier die Rede?« »Vom Finale des Musicals, das Sie für uns schreiben«, lautete die Antwort.
»Und was ist ein Solo?«
»Ein Solo ist, wenn der Gesangsstar allein auf der Bühne steht und allein den ganzen Applaus einheimst, während seine Kollegen in der Kulisse vor Neid grün und gelb werden.«
Nach diesem kurzen Einführungskurs in die Grundlagen des Musiktheaters begab ich mich nach Hause und entwarf das gewünschte Libretto. Es handelte von einem jungen israelischen Buchhalter, der sich während eines Besuchs in Puerto Rico in eine polynesische Bauchtänzerin verliebt, deren Onkel, ein angesehener Honorarkonsul, mit der Heirat jedoch nicht einverstanden ist, weil die Bauchtänzerinnen seiner Familie aus Traditionsgründen nur norwegische Prinzen heiraten dürfen. Daraufhin gibt der Buchhalter vor, ein norwegischer Prinz zu sein, aber gerade als es
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