Kein Augenblick zu früh (German Edition)
Füßen, oder vielmehr wie Sphinxen, die darüber wachten, wer sich ihm nähern durfte. Wahrscheinlich wollten sie ihn davor bewahren, von mir noch einmal weggeschickt zu werden. Diese Gefahr bestand zwar nicht mehr, aber Suki runzelte trotzdem die Stirn, als sie mich hereinkommen sah. Ich grinste sie nur an.
Dann entdeckte ich Amber. Sie war schrecklich dünn. Und sie wirkte so kalt und unnahbar, dass ich nicht wagte, sie zu umarmen.
»Amber – was machst du hier?«, fragte ich überrascht.
»Ryder würde bestimmt wollen, dass ich euch helfe.«
Erst als ich mich neben Alex setzte, fiel mir auf, wie still es geworden war. Dad, der hinter mir hereingekommen war, stand Demos gegenüber. Die beiden Männer fixierten sich schweigend, wie zwei Gegner vor einem Boxkampf. Dad war ganz schön mutig – ich hätte mich nicht mit Demos eingelassen.
Alicia stand in einer Ecke. Nervös beobachtete sie die beiden Männer. Ich war froh, dass ich ihre Gedanken nicht hören konnte, denn ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen waren sie keineswegs freundlich.
Harvey saß am Tisch vor einem Becher Kaffee und betrachtete alles mit leicht amüsierter Miene. Mir kamen ernsthafte Zweifel, ob es eine gute Idee gewesen war, Dad und Demos zusammenzubringen. Das Schweigen wurde immer drückender. Gerade als ich etwas sagen wollte, irgendetwas, um die unangenehme Situation zu entspannen, sprang Alex plötzlich auf und trat zu den beiden Männern.
»Dr. Loveday, das ist Demos.«
»Wir kennen uns bereits«, sagte mein Vater, ohne den Blick von Demos zu lösen.
»Michael«, erwiderte Demos nur und nickte ihm mit undurchdringlicher Miene zu.
»Musstest du meine Kinder in alles hineinziehen?«, fragte Dad vorwurfsvoll. Ich zuckte zusammen.
Demos hob eine Augenbraue. »Sie sind keine Kinder mehr, Michael. Außerdem ist Jack von selbst in die Einheit eingetreten.«
»Wir sollten jetzt die Vergangenheit ruhen lassen und nach vorn schauen«, mischte sich Alex ein. »Wir müssen schnell handeln, bevor die Einheit herausfindet, was wir in Washington gemacht haben. Das Timing ist entscheidend. Wir müssen genau zum selben Zeitpunkt in das Hauptquartier einbrechen, in dem Stirlings Haus und Büro durchsucht werden. Dann sind sie nämlich durch die Razzia von uns abgelenkt.«
»Dazu brauchen wir einen Plan«, sagte Harvey und leckte ein neues Zigarettenpapier.
Allmählich konnte ich das nicht mehr hören. Warum gab es nicht einen fertigen Musterplan für so etwas? Konnte man das nicht googeln? Ständig spuckten wir irgendwelche verrückten Ideen aus – gewisse Leute klauten sie manchmal direkt aus meinen Gedanken – und am Ende beschlossen wir irgendeine total selbstmörderische Aktion mit Fehlschlaggarantie.
Allerdings war noch nichts völlig schiefgelaufen, ermahnte ich mich. Betonung auf noch nicht . Bisher hatten wir unverschämtes Glück gehabt, aber das Blatt konnte sich jederzeit wenden.
Alex nagte an der Unterlippe, Suki und Nate guckten mit großen Augen in die Runde, und Alicia und mein Vater starrten Demos düster an.
Ich fragte mich, was Alicia wohl empfinden musste – zu wissen, dass ihr Freund nichts anderes im Sinn hatte, als seine Ex-Freundin zu befreien, die er möglicherweise noch immer liebte. Ich verdrängte den Gedanken sofort wieder, bevor sie ihn hören konnte. Zu spät, ihr finsterer Blick war bereits auf mich gerichtet.
»Wenn ihr mich nur erst mal mit Sara reden lassen würdet – sie weiß bestimmt, wie wir unbemerkt ins Camp kommen können«, sagte Jack.
»Jack, wir können ihr nicht trauen. Es steht zu viel auf dem Spiel«, widersprach Alex.
Suki musste Jacks Wut gespürt haben, denn sie runzelte die Stirn.
»Alex hat Recht«, sagte Demos und setzte sich an den Tisch. »Die Frage müssen wir zurückstellen. Solange wir nicht absolut sicher sind, dürfen wir nicht mit Saras Hilfe rechnen.«
»Aber vielleicht könnten Suki oder Alicia ihre Gedanken abhören?«, warf Nate ein.
»Sie können nicht ins Hauptquartier«, widersprach ich. »Und wenn Sara auf der anderen Seite ist und wenn das stimmt, was Richard Stirling gesagt hat, dann weiß sie wahrscheinlich, wie sie Gedankenleser ausblocken kann.«
»Aber Amber kann sie vielleicht nicht ausblocken«, sagte Alicia.
»Wie bitte? Du willst, dass ich ins Hauptquartier spaziere und sie bitte, ein paar Fragen zu beantworten, damit ich ihre Aura nach Lügen durchsuchen kann?«, fragte Amber in ätzendem Ton.
»Erst mal langsam«, sagte Alex
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