Lichtlos 3 (German Edition)

19
    Als ich Donny, dem Mechaniker, der allabendlich zwei Opossums namens Wally und Wanda füttert, auf der höchsten Wiese des südöstlichen Quadranten von Harmony Corner gegenüberstehe, habe ich die Wahl zu töten oder zu sterben. Ich habe eine Pistole, er einen Revolver, und die Entfernung zwischen uns ist Kernschussweite.
    Der Gedanke an die hungrigen Opossums, die vergeblich auf Essensabfälle warten und schließlich verzweifelt davonwatscheln, der Gedanke, dass die Grillköchin Denise, Donnys Ehefrau, durch mich, einen Grillkochkollegen, zur Witwe wird, und andere Überlegungen bringen mich dazu, zwei fatale Sekunden zu zögern, was eigentlich mein Tod sein sollte. Da sein Gesicht von Wut verzerrt zu sein scheint und aufgrund dessen, was er sagt – »Harry Potter, Lex Luthor, Fidel Castro – wer auch immer du bist, du wirst hier sterben « – , habe ich das sichere Gefühl, dass er von Hiskott besessen ist, und beinahe puste ich ein Loch in ihn. Aber sein Gesicht ist durch seine entsetzliche Narbe leicht fehlzudeuten, und in mein Zögern hinein sagt er mit einer gewissen Verzweiflung: » Lauf. Verschwinde aus dem Winkel, damit er nicht an dich rankommt. Das ist nicht deine Schlacht. Um Gottes willen, lauf !«
    Obwohl er kein anderer ist als Donny, könnte er jeden Moment von Hiskott kontrolliert werden und ohne Vorwarnung das Feuer auf mich eröffnen. Ich ziehe es vor, keine Zeit auf eine philosophische Diskussion über die Verdienste zu vergeuden, deines Bruders und deiner Schwester Hüter zu sein.
    Mit einem Ärmel wische ich mir die Nase ab, die tröpfelt, seit ich die blumigen Aftershave-Schwaden des Bermuda-Typen eingeatmet habe, durch die im Inneren des Geländewagens eine Atmosphäre hervorgerufen wurde wie im Labor eines durchgeknallten Parfümeurs.
    Ebenso eindringlich wie Donny beharre ich: »Es ist meine Schlacht. Jolie stirbt heute, wenn ich nicht kämpfe. Ich bin der Einzige, der ohne sein Wissen in seine Nähe kommen kann .«
    Die Vorstellung, dass Jolie auf dieselbe brutale Weise sterben könnte, auf die Maxy ermordet wurde, quält ihn derart, dass es so scheint, als würde sein schon einmal gerissenes Gesicht an der mangelhaften Naht wieder reißen.
    »Aber er hat uns befohlen, dich zu suchen. Und er macht die Runde durch uns und liest unsere Erinnerungen. Ich kann nicht vor ihm verbergen, dass ich dich gesehen habe – und wo .«
    Mit Verspätung erkennt er, wie gefährlich es für mich ist, wenn er seinen Revolver behält. Er packt die Waffe am Lauf und wirft sie mir zu, und ich nehme sie erleichtert entgegen.
    »Hören Sie, Donny, Sir, Sie sind derjenige, der aus dem Winkel verschwinden muss, aus seiner Reichweite. Wenn er durch Sie herausfindet, wo ich bin, dann wird er den Rest der Familie losschicken, um mich zu umzingeln .«
    Gequält lehnt er sich gegen meinen Vorschlag auf. »Nein, nein, nein. Nein, er wird sie foltern, wenn er herausfindet, dass ich mich aus seiner Reichweite entfernt habe. Er kennt keine Gnade. Er weiß nicht, was Erbarmen ist. Er wird sie foltern und sie dazu bringen, sich gegenseitig zu töten .«
    »Dazu wird er keine Zeit haben. Erst wird er nach mir suchen. Dann werde ich mit ihm in diesem Haus sein .«
    »Bloß weil er dich nicht kontrollieren kann, heißt das noch lange nicht, dass du den Schurken kriegst. Du wirst ihn nicht kriegen .«
    »Ich habe ihm gegenüber mehr Vorteile, als Sie sich vorstellen können .«
    »Was für Vorteile ?«
    Ich ziehe die Nase hoch, damit sie aufhört zu tropfen, und aus diesem tiefen Einatmen wird ein hallendes Schnauben. »Ich habe keine Zeit, es Ihnen zu sagen. Bitte , Sir, verschwinden Sie schleunigst aus Harmony Corner. Die Landstraße ist gleich dort drüben hinter dem Lattenzaun. In zwei Minuten können Sie draußen sein. Noch weniger. Gehen Sie, bis Sie wissen, dass Sie in Sicherheit vor ihm sind. Gehen Sie ! «
    Fünf Jahre der Unterdrückung und sein eigener misslungener Aufstand haben ihn nahezu jeglicher Hoffnung beraubt, vielleicht bis auf einen matten Funken. Er ist so verzagt, dass er weder für den Widerstand noch für die Flucht Energie aufbringt.
    Ich hebe den Revolver, den er mir überlassen hat, und gebe ihm eine Chance, in die Mündung zu blicken und das Potenzial der Kugel zu bedenken.
    »Sir, ich brauche diesen Geländewagen, und ich brauche mehr Zeit, in der Hiskott nicht weiß, wer ich bin. Entweder Sie rennen, so schnell Sie können, aus diesem Bereich hinaus, oder ich schieße Sie jetzt tot. Und zwar