Kein Bisschen ohne dich
das alles heute schon tausend Mal durchlebt.
»Übrigens, ich habe gehört, dass Jake Wilder vielleicht heute Abend zum Spiel kommt«, fügt Amanda hinzu und schenkt mir ein nicht gerade unauffälliges Zwinkern.
Jake Wilder. Wow. Ich hatte fast vergessen, dass er überhaupt existiert. Es ist schwer zu glauben, dass der Sexgott der Schule - der Typ, in den ich damals total verknallt war – einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben war. Wenn ich so zurückdenke, kann ich mich gar nicht mehr erinnern, was ich überhaupt an ihm gefunden habe. Ich schätze, er sah gut aus. Und beliebt wird er wohl auch gewesen sein. Aber er kann Magnus niemals das Wasser reichen. Dem wunderbarsten Freund im ganzen Universum.
Den ich wahrscheinlich nie wiedersehen werde.
Bevor wir zur Schule gefahren sind, haben Rayne und ich einen Pakt geschlossen, von jetzt an ein normales, vampirfreiesLeben zu führen.
Zu viele schlimme Dinge sind in der Vergangenheit, die keine mehr ist, passiert, weil wir unsere Spielchen mit der Anderwelt getrieben hatten, meinte meine Schwester. Und es wäre besser für alle Beteiligten, wenn wir uns ganz raushalten und von jetzt an ein ganz normales, alltägliches Leben führen würden.
Aber obwohl ich vom Verstand her weiß, dass sie recht hat, sagt mein Herz etwas anderes. Wie soll ich mich jemals wieder mit jemandem abgeben wie Jake Wilder, wo ich doch weiß, dass es am Rand meiner Realität jemanden wie Magnus gab?
Ich bekomme mein Mittagessen — ein paar eklige, vertrocknete Chicken Nuggets mit Pommes frites - und folge Amanda zu dem Tisch, wo der Rest der Hockeymannschaft offenbar über die Vor-und Nachteile von unterschied-lichen Lipgloss-Marken diskutiert und dabei ziemlich viel Gift versprüht, wenn man bedenkt, um was für ein Thema es geht.
»Oh mein Gott, ist das dein Ernst?«, ruft Olivia angewidert. »Das Zeug ist wie flüssiger Kleber!
Das letzte Mal, als ich ihn benutzt habe, bin ich fast an Carter kleben geblieben, während wir uns geküsst haben!«
»Das ist doch nicht so schlecht«, gab Ava mit einem verschlagenen Lächeln zurück.
»Also bitte«, schaltete Jessica sich ein. »Ich mache mir meinen eigenen Lipgloss. Man braucht bloß ein bisschen Bienenwachs, ein bisschen Honig . . .«
»Also, ähm , hat irgendwer von diesem verrückten Terroristenattentat in Syrien gehört?«, platze ich in das Gespräch hinein, nachdem ich mit meinem Handy nach einer Nachricht aus dem aktuellen Zeitgeschehen gesucht habe.
»Ziemlich beängstigend, oder?«
Die Mädchen drehen sich um und starren mich an, als hätte ich drei Köpfe und gerade verkündet, dass ich mich am Wochenende gern foltern lasse.
»Ähm , ja. Beängstigend«, wiederholt Olivia schnell. Dann dreht sie sich wieder zu Jessica um. »Warte mal. Du machst deinen eigenen Lipgloss? Aber kannst du den auch selber färben? Ich mag gern farbigen ...«
Oh, Gott. Ich stehe von meinem Platz auf und fliehe vor diesem idiotischen Gespräch, wobei ich mein ungenießbares Mittagessen absichtlich stehen lasse. Fanden meine Freundinnen das früher auch schon so wichtig? Habe ich so etwas auch mal wichtig gefunden? Dann fällt mir die absurde Masse Lipgloss ein, durch die ich mich an diesem Morgen in meiner Badezimmerschub-lade wühlen musste, um eine Tube Zahnpasta zu finden. Offensichtlich.
Aber das hat sich geändert. Sosehr ich mich auch bemühe. Ich schaffe es anscheinend nicht mehr, mich für Lipgloss oder Hockeyspiele oder nette Jungs ohne jede Persönlichkeit zu begeistern. Ich interessiere mich auch nicht mehr für Englisch oder Mathe oder dafür, gute Noten zu bekommen. Alles, was früher, in meinem sogenannten normalen Leben, wichtig war, kommt mir jetzt langweilig, öde und lächerlich vor.
Ich muss mich den Tatsachen stellen: Ich bin nicht mehr dieselbe. Bin nicht mehr das unschuldige, naive Wesen, das durchs Leben geflattert Ist, ohne sich um irgendetwas anderes auf der Welt als um Ihr eigenes Wohlergehen zu kümmern. Und ich kann nicht wieder dieselbe werden, auch wenn ich mich noch so sehr bemühe. Nicht wenn ich weiß, was sich sonst noch abspielt unter der Oberfläche unserer Welt.
Die Kämpfe, das Chaos, die Faszination. Und das Wichtigste überhaupt: Irgendwo dort ist der schönste, süßeste, liebevollste Vampir des ganzen Universums.
Der nicht mehr weiß, dass es mich gibt.
Ich lasse den Blick durch die Cafeteria wandern und entdecke meine Schwester, die bei Ihrer besten Freundin Spider sitzt und lacht, als wäre
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