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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wohnten. Es stand in Livingston, dem Ort, in dem Bernie und Matt aufgewachsen waren.
    Matt hatte sich gefragt, ob es klug war, dorthin zurückzukehren. Die Erinnerung der Menschen reichte weit zurück. Wie viele Jahre auch vergangen waren – wenn er in die Nähe kam, flüsterten die Menschen in seiner Heimatstadt und machten zweideutige Bemerkungen. Eigentlich kümmerten Matt solche Kleinigkeiten schon lange nicht mehr. Aber er machte sich Sorgen um Olivia und sein ungeborenes Kind. Denn der Sohn soll nicht mittragen die Missetat des Vaters, aber das war reines Wunschdenken.
    Auch Olivia verschloss vor den Risiken nicht die Augen. Trotzdem wollte sie es.
    Außerdem hatte die etwas nervöse Marsha – wie sollte er das umschreiben – gewisse Leiden. Nach Bernies überraschendem Tod hatte sie einen Nervenzusammenbruch erlitten. Marsha hatte sich eine zweiwöchige »Ruhepause« gegönnt – noch so
ein Euphemismus. In dieser Zeit war Matt bei ihr eingezogen und hatte sich um die Jungs gekümmert. Es ging Marsha wieder gut – das sagten eigentlich alle –, aber Matt wollte doch lieber in der Nähe bleiben.
    Heute stand die bautechnische Begutachtung des neuen Hauses an. »Ich mach mich demnächst auf den Weg. Warum, was gibt’s?«
    »Kannst du mal reinschauen?«
    »Bei euch?«
    »Ja.«
    »Natürlich.«
    »Falls es nicht passt …«
    »Nein, kein Problem.«
    Marsha war eine hübsche Frau mit einem ovalen Gesicht, die gelegentlich mit tieftrauriger Miene nervös nach oben blickte, als wollte sie sich versichern, dass die dunkle Wolke noch über ihr hing. Selbstverständlich war das eine rein körperliche Eigenart, die nicht mehr über ihren Charakter aussagte als etwa eine Narbe oder geringe Körpergröße.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Matt.
    »Ja, mir geht’s gut. Ist keine große Sache. Kannst du dich ein paar Stunden um die Jungs kümmern? Ich hab an der Schule zu tun, und Kyra ist heute Abend unterwegs.«
    »Soll ich mit ihnen essen gehen?«
    »Das wäre toll. Aber nicht zu McDonald’s, ja?«
    »Chinesisch?«
    »Perfekt«, sagte sie.
    »Prima, geht klar.«
    »Danke.«
    Das Bild auf dem Handy baute sich auf.
    »Dann bis nachher«, sagte er.
    Sie verabschiedeten sich und legten auf.
    Matt konzentrierte sich wieder auf das Handy. Er kniff die
Augen zusammen und sah sich das Display genau an. Es war winzig. Kaum drei Zentimeter breit. Die Sonne schien, und der Vorhang stand offen. Bei diesen Lichtverhältnissen war kaum etwas zu erkennen. Matt schirmte das kleine Display mit der Hand ab und beugte sich tief darüber. Das half ein bisschen.
    Auf dem Display erschien ein Mann.
    Wieder konnte er kaum Einzelheiten erkennen. Der Mann war vielleicht Mitte dreißig – Matts Alter – und hatte tiefschwarze, fast schon blaustichige Haare. Er trug ein rotes Hemd mit Button-down-Kragen. Eine Hand hielt er in die Luft, als winke er. Er stand in einem weiß gestrichenen Zimmer mit einem Fenster, hinter dem grauer Himmel zu sehen war. Der Mann grinste ein wissendes Ich-bin-besser-als-du-Grinsen. Matt starrte den Mann an. Ihre Augen trafen sich, und Matt hätte schwören können, Spott darin zu erkennen.
    Matt kannte den Mann nicht.
    Er wusste nicht, warum seine Frau ihn fotografiert hatte.
    Das Display wurde schwarz. Matt rührte sich nicht. Das Muschel-Meeresrauschen verschwand nicht aus seinen Ohren. Außerdem hörte er noch ein paar andere Geräusche – das Pfeifen eines Faxgeräts, dumpfe Stimmen, den Verkehr draußen –, doch das alles drang wie durch einen Filter an seine Ohren.
    »Matt?«
    Das war Rolanda Garfield, seine Assistentin/Sekretärin. Die Kanzlei war nicht begeistert gewesen, als Matt sie eingestellt hatte. Man merkte Rolanda ihre Herkunft »von der Straße« an, wodurch sie für die Wichtigtuer bei Carter Sturgis schwer zu ertragen war. Aber er hatte darauf bestanden. Sie war eine von Matts ersten Mandantinnen gewesen und gehörte zu den schmerzlich wenigen Fällen, die er gewonnen hatte.
    Während seines Gefängnisaufenthalts war es Matt gelungen, genug Seminare abzuschließen, um seinen College-Abschluss zu bekommen. Kurz nach seiner Entlassung bestand er sein
Jura-Examen. Bernie, der es bei Carter Sturgis, der bedeutendsten Kanzlei in Newark, inzwischen zum Staranwalt gebracht hatte, meinte, die Anwaltskammer überreden zu können, bei Matt eine Ausnahme zu machen und seinen Bruder aufzunehmen, obwohl er vorbestraft war.
    Das war eine Fehleinschätzung.
    Aber so leicht ließ Bernie sich

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