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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Mädchen gewesen,
gerade einmal eins fünfzig groß. Auch in den folgenden Jahren war sie nur wenig gewachsen. Die anderen, männlichen und ach so cleveren Ermittler nannten sie Mini.
    Ermittler. Wenn die einmal in Fahrt kommen, zerfetzen sie einen mit ihren schneidenden Bemerkungen.
    Doch Loren hatte nicht immer zu den sogenannten Problemkindern gehört. Auf der Grundschule war sie ein kleiner Racker gewesen, das draufgängerische Kind, das die Jungs im Kickball besiegte und eher sterben würde, als irgendwelchen Mädchenkram zu machen. Ihr Vater hatte diverse Jobs gehabt, von denen die meisten mit LKW-Fahren zu tun hatten. Er war ein freundlicher, ruhiger Mann gewesen, der den Fehler gemacht hatte, sich in eine Frau zu verlieben, die viel zu schön für ihn war.
    Die Muses hatten im ärmeren Teil Livingstons, New Jersey, gelebt, einem Vorort, der ihre sozialen und ökonomischen Möglichkeiten weit überschritt. Lorens Mutter, die hinreißende und anspruchsvolle Mrs Muse, hatte darauf bestanden, weil sie es, verflixt nochmal, verdient hatte. Niemand – aber wirklich niemand – sollte auf Carmen Muse herabgucken.
    Sie hatte Lorens Vater immer wieder gedrängt, von ihm gefordert, härter zu arbeiten, mehr Kredite aufzunehmen, irgendeine Möglichkeit zu finden, ihren Lebensstandard weiter zu erhöhen, bis Dad sich – genau zwei Tage nach Lorens vierzehntem Geburtstag – in der angebauten Doppelgarage eine Kugel in den Kopf gejagt hatte.
    Rückblickend musste man wohl annehmen, dass ihr Vater manisch-depressiv gewesen war. Das hatte sie inzwischen begriffen. Das chemische Gleichgewicht in seinem Gehirn war gestört gewesen. Wenn ein Mensch sich umbringt, ist es unfair, anderen die Schuld daran zu geben. Aber Loren tat das. Sie gab ihrer Mutter die Schuld. Sie fragte sich, wie das Leben ihres freundlichen, ruhigen Vaters verlaufen wäre, wenn er eine
weniger anspruchsvolle Frau als Carmen Valos aus Bayonne geheiratet hätte.
    Die junge Loren verarbeitete die Tragödie so, wie man es von einem Mädchen in der Pubertät erwarten durfte: mit wilder Rebellion. Sie trank, rauchte, hing mit den falschen Leuten rum und ging mit vielen Typen ins Bett. Sie wusste, wie ungerecht es war, dass Männer mit wechselnden Geschlechtspartnern verehrt werden, während Frauen, die das Gleiche tun, als Schlampen gelten. In Wahrheit und allen tröstlichen, rationalen Erklärungen von feministischer Seite zum Trotz wusste Loren – und sie hasste es, das zugeben zu müssen –, dass der Grad ihrer Promiskuität sich umgekehrt proportional zu ihrer Selbstachtung verhielt. Das hieß, je niedriger ihr Selbstwertgefühl war, desto, äh, leichter war sie zu haben. Männer schienen nicht dem gleichen Schicksal zu erliegen – und falls doch, so konnten sie es besser verheimlichen.
    Schwester Katherine brach das Schweigen. »Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Loren.«
    »Geht mir genauso«, sagte Loren verzagt. Herrje, und nun? Würde sie wieder anfangen, Fingernägel zu kauen? »Staatsanwalt Steinberg sagte, Sie wollten mich sprechen?«
    »Setzen wir uns?«
    Loren zuckte die Achseln. Sie setzten sich. Loren verschränkte die Arme und rutschte im Stuhl hinunter. Sie legte die Beine übereinander. Ihr fiel ein, dass sie Kaugummi im Mund hatte. Die Oberin zog missbilligend die Augenbrauen hoch. Loren wollte sich nicht einschüchtern lassen und kaute daher etwas schneller, so dass aus der vorher diskreten Mundbewegung ein rinderartiges Wiederkäuen wurde.
    »Erzählen Sie mir, was da passiert ist?«
    »Es ist eine recht delikate Angelegenheit«, begann die Oberin. »Sie erfordert ein gewisses …« Sie blickte nach oben, als bäte sie den Herrn um Hilfe.

    »Taktgefühl?«, fragte Loren.
    »Ja, Taktgefühl.«
    »Okay.« Loren zog das Wort in die Länge. »Wir reden also über die Nonne, die sich die Titten hat aufblasen lassen, ja?«
    Die Oberin schloss einen Moment lang die Augen. Dann öffnete sie sie wieder. »Ja, um die geht es. Aber das ist nicht das Thema.«
    »Sondern?«
    »Eine wunderbare Lehrerin ist von uns gegangen.«
    »Sie meinen Schwester Mary Rose. Unsere Liebe Frau der wundersamen Brustvergrößerung.«
    »Ja.«
    »Glauben Sie, dass sie eines natürlichen Todes gestorben ist?«, fragte Loren.
    »Allerdings.«
    »Und?«
    »Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen.«
    »Ich würde Ihnen gern helfen.«
    »Sie waren ein gutes Mädchen, Loren.«
    »Ich war eine Nervensäge.«
    Die Oberin unterdrückte ein Lächeln. »Ja, das

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