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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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das«, sagte sie.
    Das Mädchen hielt das Bild vorsichtig in Händen, als wäre es teures Porzellan.
    »Sie war schön«, flüsterte das Mädchen.
    »Sehr schön.«
    »Sie sieht glücklich aus.«

    »War sie aber nicht. Heute wäre sie’s.«
    Das Mädchen hob das Kinn. »Ich weiß nicht, ob ich mich da raushalten kann.«
    Dann, dachte Kimmy, bist du deiner Mutter vielleicht ähnlicher, als du glaubst.
    Sie umarmten sich und versprachen, in Verbindung zu bleiben. Als das Mädchen gegangen war, zog Kimmy sich an. Sie fuhr zum Blumenladen und kaufte ein Dutzend Tulpen. Tulpen waren Candis Lieblingsblumen gewesen. Sie fuhr die vier Stunden zum Friedhof und kniete vor dem Grab ihrer Freundin nieder. Sie war ganz allein. Kimmy wischte den Staub vom Grabstein. Das Begräbnis und den Stein hatte sie bezahlt. Candi sollte nicht in ein anonymes Grab.
    »Deine Tochter war heute bei mir«, sagte sie laut.
    Es wehte eine leichte Brise. Kimmy schloss die Augen und horchte. Sie meinte zu hören, wie Candi, die so lange geschwiegen hatte, sie bat, auf ihre Tochter aufzupassen.
    Und während die heiße Sonne Nevadas auf ihrer Haut brannte, versprach Kimmy es ihr.

2
    Irvington, New Jersey, 20. Juni
     
    »Ein Fotohandy«, murmelte Matt Hunter kopfschüttelnd.
    Auf der Suche nach Inspiration schaute er nach oben, sah dort aber nur eine riesige Bierflasche.
    Die Bierflasche war ein vertrauter Anblick. Matt sah sie jeden Tag, wenn er vor die Tür seiner maroden Doppelhaushälfte mit der abblätternden Farbe trat. Die berühmte 150 Meter hohe Flasche dominierte die Skyline. Die ehemalige Pabst-Blue-Ribbon-Brauerei war schon 1985 stillgelegt worden. Früher war die Flasche ein prächtiger Wasserturm mit verkupferten Stahlplatten,
glänzendem Email-Etikett und einem vergoldeten Kronkorken gewesen. Sie war nachts von Scheinwerfern angestrahlt worden und kilometerweit zu sehen gewesen.
    Diese Zeiten waren vorbei. Auch wenn die Flasche flaschenbraun aussah, war sie in Wirklichkeit rostrot. Das Etikett war längst verschwunden. Das früher so stabile Viertel um sie herum war ihrem Beispiel gefolgt und zerfiel allmählich. Seit zwanzig Jahren arbeitete niemand mehr in der Brauerei. Wenn man die zerstörte Ruine betrachtete, hätte man vermuten können, dass sie schon länger leer stand.
    Matt blieb auf der obersten Treppenstufe stehen. Olivia, die Liebe seines Lebens, ging weiter. In ihrer Hand klimperten die Autoschlüssel.
    »Ich find das nicht gut«, sagte Matt. »Ein Fotoapparat sollte ein Fotoapparat sein.«
    »Sehr tiefsinniger Gedanke.«
    »Ein Gerät, das beides kann … das ist doch pervers.«
    »Na, das ist dann ja ein Gebiet, auf dem du dich auskennst«, sagte Olivia.
    »Ha, ha. Merkst du nicht, wie gefährlich das ist?«
    »Äh, nein.«
    »Wenn man Fotoapparat und Telefon zusammenbaut …«, Matt suchte nach Worten, » … das ist, wie soll ich sagen, eigentlich ja eine Kreuzung aus ganz verschiedenen Spezies, wie so ein Experiment aus den alten B-Movies, das außer Kontrolle gerät und alles zerstört, was sich ihm in den Weg stellt. Ein Werk des Teufels.«
    Olivia sah ihn nur an. »Jetzt drehst du aber völlig durch.«
    »Ich weiß einfach nicht so genau, ob wir uns Fotohandys besorgen sollen.«
    Sie drückte auf die Fernbedienung im Schlüssel, und die Wagentüren entriegelten sich. Sie öffnete die Tür. Matt zögerte noch.

    Olivia sah ihn an.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Wenn wir beide Fotohandys haben«, sagte Olivia, »kann ich dir Nacktfotos in die Arbeit schicken.«
    Matt öffnete die Tür. »Welchen Anbieter nehmen wir? Verizon oder Sprint?«
    Als Olivia ihm zulächelte, fing sein Herz wild an zu klopfen. »Ich liebe dich.«
    »Ich dich auch.«
    Sie setzten sich in den Wagen. Olivia sah ihn an. Als ihm die Sorge auffiel, die aus ihrem Blick sprach, hätte er sich beinah abgewandt. »Das wird schon«, sagte sie. »Du glaubst mir doch, oder?«
    Er nickte und rang sich ein Lächeln ab. Olivia würde es ihm nicht abnehmen, seine Bemühungen aber anerkennen.
    »Olivia?«, sagte er.
    »Ja?«
    »Erzähl mir mehr von den Nacktfotos.«
    Sie schlug ihm auf den Arm.
    Doch Matts ungutes Gefühl kehrte zurück, als er den Sprint-Telefonladen betrat und etwas von der zweijährigen Vertragslaufzeit hörte. Das Lächeln des Verkäufers hatte etwas Satanisches an sich, wie der Teufel in diesen Filmen, in denen der Naivling seine Seele verkauft. Als der Verkäufer eine Karte der USA hervorzog – die Gebiete mit Netzabdeckung waren

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