Kein König von Geburt
Gefangenen erfuhren gleichfalls, was ihnen bevorstand. Bryan, der Anthropologe, erhielt den Befehl, eine sorgfältige Untersuchung über die Wirkungen des Eintreffens der Menschen auf die Sozioökonomie der Tanu anzustellen. Eine bestimmte Faktion, angeführt von Nodonn Schlachtenmeister, dem mächtigsten Sohn und mutmaßlichen Erben von Thagdal und Nontusvel, behauptete, die Ankunft der Menschen habe der Tanu-Kultur eher geschadet, als Nutzen gebracht, wie Thagdal und die meisten Tanu-Aristokraten glaubten. Bryan sollte die Streitfrage unter Anwendung der hochentwickelten analytischen Methoden des Milieus klären. Es braucht nicht erwähnt zu werden, daß Thagdal überzeugt war, Bryan werde die königliche Politik bestätigen.
Der riesenhafte Wikinger Stein, Raimo Häkkinen und Sukey Davies wurden gezwungen, ihre Talente vor den Anwesenden zur Schau zu stellen. Bei Sukey hatte der silberne Reif ein großes Talent zum Redigieren aktiviert. Sie sollte als Lehrling in die Redaktoren-Gilde aufgenommen werden, der der mitfühlende und zivilisierte Dionket Vorstand, und die Kunst des mentalen Heilens erlernen. Der arme Raimo, der nur über schwache psychokinetische Kräfte verfügte, entdeckte, daß er zum sexuellen Spielzeug der Tanu-Frauen bestimmt war, die Schwierigkeiten hatten, von Männern ihrer eigenen Rasse zu empfangen. Stein wurde den Festgästen als Gladiator für den Großen Wettstreit vorgestellt, dem jährlichen rituellen Krieg zwischen Tanu und Firvulag, an dem auch bestimmte Menschen teilnahmen. Er sollte versteigert und dem höchstbietenden Tanu zugeschlagen werden, als ein unglaublicher Vorfall die gesamte Tanu-Aristokratie in Verwirrung stürzte.
Aiken Drum machte sein Angebot auf Stein.
Der silberne Reif hatte die ungeheuren latenten Geisteskräfte des charmanten jungen Schurken zu einem reißenden Strom entfesselt. So groß war die Macht von Aikens befreitem Geist, daß er bereits die Kontrollschaltungen des Reifs ausgebrannt hatte. Er war dabei, voll operant zu werden - metafunktional, ohne künstliche Verstärkung. Allein Elizabeth, die früher im Milieu junge Metapsychiker unterrichtet hatte, wußte, was sich da abspielte. Die Tanu merkten nur, daß Aiken Drum weit über dem üblichen Typ eines menschlichen Latenten stand, aber sie ahnten noch nicht, wie bedrohlich sein Potential werden sollte.
Als die Tanu-Edlen begannen, auf seinen Freund Stein zu bieten, erkannte Aiken, daß sich der große Wikinger in Lebensgefahr befand. Nicht nur hatte Stein das Mädchen Sukey zur Lebensgefährtin genommen (eine Frau, die einen Silberreif trug, beging damit nach den Begriffen der Tanu Verrat), Stein gehörte auch zu den Personen, für die der Reif unverträglich war. Wenn Stein sein graues Halsband sehr lange trug, würde er den Verstand verlieren und sterben. Die meisten Menschen, die Grau trugen, wurden auf Kompatibilität getestet, bevor man ihnen den Halsring anlegte. Bei Stein hatte der Reif nach seinem blutigen Kampf in der Torburg als Mittel der Unterwerfung gedient. Die Tanu kümmerte es im Grunde nicht, wie lange er lebte. Aber Aiken kümmerte es, und so machte er ein Angebot und gelobte dem König, als Bezahlung wolle er einen gewissen Delbaeth, ein Firvulag-Monster, töten, das das benachbarte spanische Festland terrorisierte.
Der König war sprachlos, nicht nur über Aikens Unverschämtheit, sondern auch, weil er bei einer kurzen Überprüfung von Aikens Gehirn einen Blick auf dessen Macht erhascht hatte. Es schien kaum möglich zu sein ... und doch mochte dieser kleine menschliche Angeber in seinem ganz mit Taschen bedeckten Anzug aus Goldstoff eine Bedrohung für Thagdal selbst darstellen.
Die bösen Vorahnungen des Königs verstärkten sich, als ein Mitglied der Hohen Tafel, Mayvar Königsmacherin, Oberhaupt der Fernspürer-Gilde, erklärte, sie sei dafür, Aikens Angebot zu akzeptieren, und werde ihn unter ihrem Schutz für seine Aufgabe ausbilden lassen. Thagdal betrachtete Mayvar als boshafte alte Schachtel, die sich vielleicht nur wichtig machte. Andererseits wurde sie nicht umsonst »Königsmacherin« genannt ...
Erschüttert nahm der König Aikens Gebot auf Stein an. Delbaeth war eine Bedrohung, mit der der König sich schon längst hätte befassen sollen, und nun ließ Aikens listiges Manöver dem Monarchen keine andere Wahl mehr. Sowohl Aiken als auch Stein sollten vom Herrn der Schwerter in die ritterlichen Künste der Tanu eingeführt werden, und dann würde eine große
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