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Kein Opfer ist vergessen

Kein Opfer ist vergessen

Titel: Kein Opfer ist vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Harvey
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die anderen reagieren konnten, schnappte ich mir den Fetzen. Er war grob aus einem größeren Stück herausgeschnitten worden. Der Stoff war schwarz-weiß gestreift.
    »Sieht aus, als stammte das Stück von einem Hemd«, sagte ich.
    »Es war auch in dem Umschlag«, erklärte Havens. »Ich glaube, man kann darauf sogar noch einen Blutfleck erkennen.«
    Sarah hatte mir das Stoffstück abgenommen. Bei dem Wort »Blutfleck«, ließ sie es fallen.
    »Wenn man mich fragt«, fuhr Havens fort, »wurde das Stückchen aus dem Hemd des Opfers herausgeschnitten.«
    »Woher wollen Sie wissen, was das Opfer trug?«, fragte Z.
    Havens legte eine Hand auf die Akte. »Fall Nummer 98-2425. Der Name des Opfers war Skylar Wingate. Laut Polizeibericht trug er ein schwarz-weiß gestreiftes Baumwollhemd. Scheint mir zu dem Stück da zu passen.«
    Z seufzte, als hätte sie all das schon mal gehört. »Offenbar übersehen Sie einige Fakten, Mr Havens.«
    »Erinnern Sie sich an den Fall?«, fragte ich sie.
    »Er hat damals ziemliches Aufsehen erregt.«
    »Und was hat er übersehen?«, wollte Sarah wissen.
    »Soweit ich weiß, wurde von dem Blut an der Jeans, die James Harrison bei seiner Festnahme trug, eine DNA -Analyse gemacht. Das Ergebnis zeigte eine hundertprozentige Übereinstimmung mit dem Blut des Opfers.«
    Sarah und ich drehten uns zu Havens um.
    »Der DNA -Test wurde nach dem Urteilsspruch gemacht«, sagte er. »Harrison hat ihn angefordert und selbst dafür gezahlt.«
    »Wieso ist das wichtig?«, fragte Sarah.
    »Warum zahlt ein Typ, der in Berufung gehen will, für eine DNA -Analyse, die jeden Zweifel an seiner Schuld beseitigt?«, entgegnete Havens.
    »Aus Verzweiflung«, sagte Z. »Wenn man genügend solche Geschichten kennt, wundert einen nichts mehr.«
    Ich nahm den Stofffetzen wieder auf. »Ob das Hemd noch unter dem Beweismaterial ist?«
    »Wozu sollte man so etwas aufheben?«, fragte Sarah. »Wenn der Typ doch im Gefängnis umgebracht worden ist.«
    Wir sahen Z an, die konzentriert nachzudenken schien. Schließlich schrieb sie etwas auf ihren Block, riss die Seite ab und reichte sie Havens. »Wenn ein Fall abgeschlossen ist, werden die Prozessunterlagen und das Beweismaterial an das Bezirksgericht überstellt, in unserem Fall ist es das Gericht von Cook County. Die Prozessunterlagen werden in einem Nebengebäude in eine Datei aufgenommen, das Beweismaterial kommt in ein Lager. Ich habe Ihnen die beiden Adressen und einige Namen aufgeschrieben. Ich bezweifele zwar, dass in diesem Fall noch Beweisstücke vorhanden sind, aber wenn, dann finden Sie sie dort.«
    »Werden sie uns einfach reinlassen?«, fragte Havens. »Ich meine, wenn wir ihnen sagen, dass wir von der Medill kommen.«
    »Ich befürchte, kaum. Ich rufe heute Nachmittag an. Wenn es doch klappt, schicke ich Ihnen eine E-Mail. In dem Fall fahren Sie alle dorthin und schauen, was Sie über das Hemd herausfinden können. Wenn Sie mir bei unserem nächsten Treffen etwas Greifbares vorweisen können, etwas, mit dem sich das DNA -Ergebnis aushebeln lässt, fein. Wenn nicht, ist die Sache erledigt, und wir machen weiter. Ist das ein faires Angebot?«
    Wir sahen uns an und nickten. Z steckte den Brief und den Stofffetzen wieder in den grauen Umschlag und hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger hoch. »Das hier bleibt bei mir. Hat sonst jemand noch etwas, das er uns zeigen möchte? Eine Weihnachtskarte von John Wayne Gacy? Oder den Büstenhalter und die Unterhose von Richard Speck? Nein? Gut. Wenn Mr Havens nichts dagegen hat, würde ich jetzt gern zehn Minuten Ihrer kostbaren Zeit in Anspruch nehmen, um über die anderen fünfhundert Fälle zu sprechen, die wir zurzeit hier in der Medill bearbeiten.«

ZWEI
    Ich bestellte mir ein Bier. Als es kam, nahm ich einen Schluck und dachte an das erste Seminartreffen. Es war gar nicht so übel gewesen, obwohl Z einen etwas wirren Eindruck gemacht hatte. Ach, und dann war da noch der Brief gewesen, den Havens mitgebracht hatte, doch mit dem würde ich mich ein andermal beschäftigen. Jetzt saß ich im Tommy Nevins, dem besten irischen Pub von Evanston, trank mein Bier, mampfte Tayto-Chips aus der Tüte und wartete darauf, dass Sarah Gold aus der Damentoilette zurückkam.
    »Da bin ich wieder.« Sie glitt auf ihre Bank und lächelte. »Woher wusstest du, dass ich Guinness trinke?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Woher ich das wusste? Es war mir ebenso bekannt wie die Tatsache, dass sie ihre Pommes mit Essig würzte und statt eines

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