Kein Opfer ist vergessen
Windschutzscheibe meines Autos mit einem Baseball-Schläger zertrümmert.«
»Konntet ihr die Frau noch in Sicherheit bringen?«
»Ja, zum Glück. Damals habe ich darüber mehrere Artikel geschrieben und als Seminararbeit abgegeben.«
»Wow, die würde ich gern mal lesen.«
Sarah berührte meine Hand. Mein Herz machte einen Satz. »Ich zeig sie dir. Die Artikel haben meinem Prof gefallen, und er hat sich für mich stark gemacht. Ohne Omega hätte ich es also nie in das Seminar geschafft. Irgendwie ironisch, wenn man bedenkt.«
»Was?«
»Dass ich mich für misshandelte Frauen einsetze und dann an einen Wichser wie Kyle gerate.«
»Du darfst das auf keinen Fall schmeißen, Sarah. Nicht nach einer einzigen Sitzung.«
»Wer hat denn was von schmeißen gesagt?«
»Du hast mir gerade erklärt, du wärst nicht gut genug dafür.«
»Ach, ich musste nur ein bisschen Dampf ablassen. Ich bin ziemlich gut.«
»Du bleibst also dabei.«
»Na klar. Meinst du, ich lasse Jake Havens die ganzen Lorbeeren ernten.« Ihr Blick schweifte durch den Raum. »Wenn man vom Teufel spricht.«
Ich wandte mich um. Jake Havens saß an der Theke und hatte ein Bier vor sich stehen.
Havens war in den Anblick der Flaschen hinter der Theke vertieft, die im Licht glänzten. Ich tippte ihm auf die Schulter. Es war die Schulter eines Arbeiters, mit prallen Muskeln und straffen Sehnen. Er drehte sich halb zu mir um.
»Was ist?«
»Ich dachte, du möchtest dich vielleicht auf ein Bier zu uns setzen.«
Havens nickte zu der Nische hinüber, in der Sarah saß. »Seid ihr zwei befreundet?« Von Nahem wirkten seine Gesichtszüge hart und scharf. Die Frage, die er gestellt hatte, schien ihn kaum zu interessieren, geschweige denn die Antwort.
»Wir kennen uns aus dem Grundstudium«, sagte ich.
»Dachte ich mir.« Havens nahm sein Glas und führte den Weg zu Sarah an, als wäre es seine Idee gewesen und ich dürfe mitkommen, wenn ich wollte.
»Sarah Gold«, sagte er. »Der Name gefällt mir.« Er schlüpfte in die Sitzecke und beherrschte sie umgehend. Ich hockte mich neben ihn. Inzwischen war es kurz vor vier Uhr nachmittags. Im Nevins breitete sich Feierabendstimmung aus. Als Havens sich zu Sarah vorbeugte, schien er das Licht zu absorbieren.
»War der Typ eben dein Freund?«
»Mein Ex.«
»Gibt es viele Geister, die dir folgen?«
»Wie meinst du das?«
»Vergiss es.« Havens trank einen Schluck Bier. »Wie hat dir das Seminar heute gefallen?«
»Soll ich ehrlich sein?«, fragte Sarah. »Ich hatte mir ein bisschen mehr Orientierungshilfe versprochen.«
»Willst du, dass man dich am Händchen nimmt?«
Sarah quittierte seine herablassende Art mit einem abfälligen Lächeln. Falls Havens ihr unter die Haut gehen wollte, würde er sich ein bisschen mehr ins Zeug legen müssen. Auch falls er ihr sonst irgendwohin gehen wollte.
»Sie hätte uns Richtlinien für unsere Recherchen geben können«, sagte Sarah. »Oder eine Übersicht der Fälle. Oder wenigstens mehr Hintergrund zu den Fällen, die wir uns anschauen sollen. Eine Region festlegen.«
»Ich habe schon einen Fall.«
»Das haben wir mitbekommen.« Sarahs Blick streifte mich und wanderte weiter.
»Wollt ihr euch die Akte ansehen?« Havens hob seinen Rucksack auf den Tisch.
»Ich muss leider los.« Sarah stand auf, schaute auf Havens hinab und ließ ihn plötzlich kleiner wirken. Dabei blieb sie aufreizend freundlich. Ich war begeistert. Havens tat, als wäre nichts.
»Z hat mir eine E-Mail geschickt«, meinte er. »Die Amtsverwaltung hat uns für morgen früh grünes Licht gegeben. Hat einer von euch einen Wagen?«
Sarah und ich nickten. Sie setzte sich wieder. Havens hatte seine Kontrollfunktion zurückgewonnen.
»Ich schlage Folgendes vor«, begann er. »Einer von uns übernimmt die Recherche, geht durch die Unterlagen und sortiert das, was wichtig ist, heraus. Die beiden anderen fahren zu diesem Asservatenlager, wo sich das Beweismaterial befindet, und schauen nach, was es dort gibt.«
»Ich übernehme die Recherche«, sagte Sarah.
Ich warf ihr einen Blick zu. »Das Asservatenlager macht bestimmt mehr Spaß.«
»In den blutverkrusteten Sachen eines toten kleinen Jungen wühlen? Nein danke.«
Havens zuckte mit den Schultern. »Mir ist es gleich. Ich schicke euch die Adressen per E-Mail. Beide Amtsstellen öffnen um neun. Z hat uns geraten, gleich morgens bei denen auf der Matte zu stehen. Joyce, am besten, wir treffen uns dort um –«
Sarah fuhr herum. Kyle Brennan
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