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Kein Paar wie wir

Titel: Kein Paar wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Rathgeb
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»Keine andere Schule war besser als die englische. Wir sprachen bald perfekt Englisch. Als wären wir kleine Engländerinnen.«
    Die Engländer waren die Erzfeinde der Nazis, dachte sie. Die Russen und die Engländer. Stalin und Churchill.
    Sie schob den Teller von sich weg, sie war mit dem Frühstück fertig. Ein Toastbrot und eine Tasse Tee reichten ihr. Nie aß sie mehr. Sie war klein von Wuchs, sie brauchte nicht mehr zu sich zu nehmen. Sie achtete auf ihr Gewicht, auf die Kalorien. Ein Pfund zu viel war nicht gesund.
    Es ist gesünder, dachte sie, wenig zu essen und das ideale Gewicht zu halten. Die Dicken sterben früher. Mutter war eine Ausnahme, sie war dick und wurde alt. Der Tod vergaß sie. Er übersah sie, weil sie immer in der Ecke saß und keinen Ton von sich gab. Der Tod kam ins Haus, fand sie nicht und ging wieder weg. Hätte sie etwas gesagt, hätte sie sich bewegt, hätte der Tod sie gefunden und mitgenommen.
    »Unser Englisch war perfekt«, sagte Ruth.
    Sie strich mit der Hand über ihren dunkelgrauen Rock. Man muss, dachte sie, gut gekleidet und frisiert sein. Man darf sich nicht gehen lassen. Man muss sich sehen lassen können, gerade wenn man nicht mehr aus dem Haus und unter Menschen geht. Wer gut gekleidet ist, der hält etwas auf sich, der verkommt nicht.
    »Keiner kam darauf, dass wir Deutsche waren«, sagte Vika.
    Sie trug ein hellblaues kurzärmeliges Poloshirt, das bis zum Hals zugeknöpft war, und einen dunkelblauen Rock. Sie sah aus wie ein in die Jahre gekommenes Schulmädchen. Die festen braungrauen Haare waren in der Mitte gescheitelt und reichten ihr nicht einmal bis zu den schmalen Schultern.
    »Man muss Sprachen lernen«, sagte Ruth.
    Die beiden Schwestern konnten sich fehlerlos und fließend auf Englisch, Deutsch und Spanisch unterhalten, und auch auf Französisch und Italienisch konnten sie sich verständigen, wenn es sein musste.
    Man kommt nur in der Welt herum, wenn man sich verständigen kann, dachte Ruth. Hätten wir nur Deutsch gesprochen, hätten wir keinen Schritt vor die Tür gemacht.
    »Ohne Englisch kommt man nicht weit«, sagte Vika.
    Deutsch war unsere Muttersprache, Englisch und Spanisch waren unsere Weltsprachen, dachte sie.
    »Wir wären nicht nach New York gekommen, wenn wir nicht Englisch gesprochen hätten.«
    New York war für sie die Erlösung gewesen. Nirgendwo auf der Welt waren sie lieber gewesen als dort. Über ein Vierteljahrhundert lebten sie in New York. Es war ihre schönste Zeit, ihre verspätete Jugend.
    »Die englische Sprache hat uns gerettet«, sagte Vika.
    Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Ihre Füße reichten gerade auf den Boden. Nie schlug sie ihre Beine übereinander wie Ruth, auch dann nicht, wenn sie in einem niedrigen Sessel saß. Die zierlichen Füße standen eng nebeneinander, ein Paar, das bereit war, seine Pflichten korrekt zu erfüllen, die notwendigen Wege klaglos zu gehen.
    »Daheim«, sagte Ruth, »sprachen wir Deutsch, in der Schule und mit Freundinnen Englisch und Spanisch.«
    Wir hatten keine deutschen Freundinnen, dachte sie. Die Eltern mieden die Deutschen wie die Pest. Sie wollten nicht mit ihnen gesehen werden, sie wollten sich nicht mit ihnen gemein machen. Das muss ihnen schwergefallen sein, allein in einem fremden Land, mit einer fremden Sprache.
    Sie hatte ihr zweites Toastbrot gegessen und die zweite Tasse Tee getrunken. Auch für sie war das Frühstück beendet. Sie würden, wie jeden Morgen, noch eine Weile am Tisch sitzen bleiben und reden. Sie würden nicht lange schweigen, vor dem Schweigen hatten sie keine Angst, sie fanden immer etwas, worüber sie sprechen konnten, darin waren sie geübt, darauf konnten sie sich verlassen.
    »Auf der Straße trauten wir uns nicht, laut Deutsch zu sprechen«, sagte Vika. »Wir wollten uns nicht verraten. Keiner sollte hören, dass wir Deutsche waren. Kein Deutscher sollte merken, dass wir Landsleute waren. Wir versteckten uns hinter einer anderen Sprache.«
    Sie beugte sich wieder vor und stützte die Arme auf den Tisch. Die Sonne fiel in das helle weißgestrichene Zimmer. Es war warm. Nachher würde sie die Rollläden schließen. Glücklicherweise, dachte sie, sind wir die Hitze gewohnt.
    »Wegen der Nazis.«
    »Wir wollten nicht, dass man uns für Nazis hielt«, ergänzte Vika.
    Wir krochen in eine andere Sprache wie in einen Mantel, wie in ein Kostüm, dachte sie. Es war eine Maskerade. Sprachen wir Englisch, waren wir für andere Engländerinnen. Sprachen wir

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