Keine Kuesse für den Boss
nicht zu verraten, weigerte sich jedoch, den Namen seines wirklichen Vaters zu nennen. Und dieses Geheimnis nahm sie schließlich mit ins Grab.
Alex hatte es nicht fertiggebracht, Samuel zu fragen und damit dessen letzte Lebensjahre zu zerstören. Doch die Kränkung und das Gefühl, betrogen worden zu sein, hatten heftig in seinem Innern gelodert. Er hatte nicht mehr vertrauen können, und in dunklen Stunden hatte die unbeantwortete Frage ihn sehr gequält.
Aber jetzt wusste Alex Bescheid: Patrick war der Liebhaber seiner Mutter, von ihm stammte ihr Kind. Jahrelang hatten die beiden den Mann belogen, mit dem sie verheiratet war. Und auch ihren Sohn. Das würde Alex keinem von ihnen jemals verzeihen. Noch konnte er mit niemandem darüber sprechen, noch nicht einmal mit seinem besten Freund.
Alex’ Blick fiel wieder auf den Computerbildschirm, und fast hätte er gelacht. Es war doch wirklich eine Ironie des Schicksals, dass er dabei ertappt worden war, wie er das einzige Mal bei der Arbeit gegen seine Regeln verstieß. Sozusagen das i-Tüpfelchen der ganzen vergangenen Woche, dachte er.
„Ich fliege gleich zurück. Wir treffen uns nachher bei mir.“ Mit diesen Worten legte er auf, bevor Lorenzo etwas erwidern konnte. Dann blickte er wieder starr auf den Bildschirm.
Alex wünschte, er könnte sofort in die Sicherheitsabteilung des Unternehmens stürmen, die Schuldigen zur Rede stellen und umgehend feuern. Doch damit würde er die Situation vermutlich nur noch schlimmer machen.
Verdammt, dachte er noch einmal.
Und die junge Frau konnte er ebenfalls nicht entlassen, denn dann könnte sie ihn verklagen. Aber es würde ziemlich heikel für sie werden, wenn sämtliche Mitarbeiter sich dieses Video ansahen. Wie sollte er sie nur beschützen? Er wusste ja noch nicht einmal, wie sie hieß!
2. KAPITEL
Dani fragte sich, was sie wohl falsch gemacht hatte. Seit über einer Woche arbeitete sie nun schon hier, und bisher waren alle sehr freundlich und höflich zu ihr gewesen – bis auf Mr Alex Carlisle. Aber an ihn dachte sie nicht, ebenso wenig wie an die verrücktesten Minuten ihres Lebens. Dani würde das Ganze einfach vergessen.
Er hatte das offenbar schon getan: Seit dem Vorfall im Fahrstuhl war er nicht mehr aufgetaucht. Sie versuchte zu ignorieren, wie sehr sie das kränkte. Und einen anderen Einsatz über ihre Zeitarbeitsfirma hatte sie auch nicht finden können. Zumindest keinen, der ebenso lange dauerte und ebenso gut bezahlt wurde. Also würde Dani wohl oder übel erst einmal hierbleiben müssen.
Die anderen Mitarbeiter warfen Dani sehr merkwürdige Blicke zu und gingen auffallend oft an ihrem Schreibtisch vorbei.
Vielleicht habe ich ja noch mein halbes Frühstück im Gesicht, dachte sie, duckte sich hinter ihrem Computerbildschirm und rieb sich mit einem Taschentuch den Mund ab. Von dem Vorfall im Fahrstuhl konnten die anderen Mitarbeiter unmöglich etwas wissen. Sie und Alex waren doch allein gewesen! Und als die Fahrstuhltür aufgegangen war, hatten sie sich schon voneinander gelöst. Alex war so geistesgegenwärtig gewesen, auf Abstand zu gehen – im Gegensatz zu ihr. Offensichtlich hat er nicht gewollt, dass man sie zusammen ertappte. Außerdem lag der Vorfall nun bereits mehrere Tage zurück.
Dennoch fühlte sie sich von den anderen Angestellten beobachtet. Und gegen ihren Willen musste sie immer wieder an Alex denken. Dass er bei Frauen gut ankam, hatte sie schon gehört. Wie groß seine Anziehungskraft war, war ihr jedoch nicht bewusst gewesen.
Aber Dani wusste, dass auch sie Schuld an dem hatte, was passiert war. Schließlich hatte sie seinen Kuss erwidert. Und sie hatte jeden einzelnen Moment genossen – viel mehr, als sie je für möglich gehalten hätte. Das machte ihr ziemliche Angst, denn eine derart starke Sehnsucht machte verletzlich.
Als ein Raunen durch das Großraumbüro ging, näherte sich die Leiterin der Personalabteilung, die Dani insgeheim den Drachen nannte, ihrem Schreibtisch.
„Würden Sie bitte mitkommen, Danielle?“
Irgendetwas war nicht in Ordnung, denn sämtliche Mitarbeiter hielten plötzlich inne und beobachteten sie. Jetzt keine Schwäche zeigen, dachte Dani und hob das Kinn.
„Sollen wir den Fahrstuhl nehmen?“ Die Augen des Drachen schienen einen merkwürdigen Glanz zu haben.
Auf gar keinen Fall! dachte Dani. „Ich gehe lieber zu Fuß“, erwiderte sie leise.
Jetzt war sie ganz sicher, den Anflug eines höhnischen Lächelns auf dem Gesicht des Drachen
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