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Keine Macht den Doofen

Keine Macht den Doofen

Titel: Keine Macht den Doofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmidt-Salomon
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augenscheinlich gar nicht lohnt? Schließlich zogen
diejenigen, die es wagten, der kulturellen Matrix zu entfliehen, nur selten
Vorteile aus dem übermäßigen Gebrauch der Vernunft. Erschreckend viele
Vordenker der Menschheit wurden zu Lebzeiten nicht geachtet, sondern geächtet,
wurden verlacht, verfolgt, verhaftet, verbannt oder gar bei lebendigem Leibe
verbrannt.
    Zwar hat sich seit dem mörderischen Treiben der Inquisition vieles
geändert – der eherne Zusammenhang von Macht und Dummheit ist aber erhalten
geblieben. Noch immer gilt: Die herrschende Dummheit ist
stets auch die Dummheit der Herrschenden. 5 Deshalb gerät derjenige, der sich gegen die
öffentliche Vernunft (sprich: den gerade geltenden Konsensus der Dummheit)
auflehnt, unweigerlich in Konflikt mit den Hütern des Status quo. Wer aber will
es sich schon verscherzen mit den hochdekorierten Repräsentanten des Staates,
der Gesellschaft, der Religion? Zeigt die Erfahrung nicht, dass derjenige, der
die Dummheiten entlarvt, am Ende selbst der Dumme ist? Muss man es nicht fast
schon als ein Zeichen von »Klugheit« begreifen, dass sich die meisten Menschen
lieber anpassen und alle fünf gerade sein lassen, auch wenn dabei die Logik
Schaden nimmt?
    Nicht ohne Grund heißt es: »(Nur) Kinder und Narren sagen die
Wahrheit.« Auch in Hans Christian Andersens klugem Märchen »Des Kaisers neue
Kleider« ist es nicht zufällig ein Kind, das sich traut, die Wahrheit auszusprechen,
vor der sich alle anderen zunächst drücken. Dass der Kaiser
nackt ist, dass die Repräsentanten der Macht einem einzigartigen, grotesken
Schwindel aufsitzen, ist eine Einsicht, die viel zu groß, viel zu erschreckend
ist, als dass vernünftige Erwachsene zu ihr gelangen könnten. Freies
Denken ist, wie es scheint, nur möglich, wenn man die Zwangsjacke der Konvention
entweder noch nicht angelegt hat – wie das Kind in Andersens Geschichte – oder
wenn man sie abgelegt hat und in den Augen der Welt zum Narren geworden ist.
    Als Narr, der sich der Zwangsjacke entledigt, genießt man
sprichwörtliche Freiheit – allerdings um den Preis, nicht mehr ernst genommen
zu werden. Sei’s drum: Manchen Menschen steht die
Narrenkappe besser als der Professorenhut. Und so werde ich mir hier die
Narrenfreiheit erlauben, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, auch wenn ich dadurch
alle Chancen verspiele, in die Liga der ernst zu nehmenden Gentlemen
aufgenommen zu werden. Dass mir dies schnuppe ist, hängt mit einem gewissen
kindlichen Trotz zusammen, der sich selbst im fortgeschrittenen Alter nicht
ausgewachsen hat: Ich kann es einfach nicht ertragen, wenn die Leute behaupten,
der Kaiser sei gekleidet, obwohl er offensichtlich nackt ist. Ich habe es satt,
von Politikern, Religionsführern, Wirtschaftsweisen, Medienleuten – ja, selbst
von Philosophen – Jahr für Jahr, Monat für Monat, Woche für Woche, Tag für Tag
die ewig gleichen inhaltsleeren, nichtssagenden Phrasen zu hören. Und mir dreht
sich der Magen um, wenn ich mit ansehen muss, wie diese angeblich so
intelligente Spezies jeder noch so kruden Wahnidee nachläuft.
    Dabei halte ich mich keineswegs für besonders intelligent, ich
glaube auch nicht, auf alle Fragen, die in dieser Streitschrift angesprochen
werden, die richtigen Antworten zu wissen. Doch ich bin Narr genug, so lange an
meinen Positionen festzuhalten, bis mir bessere Argumente vorgelegt werden. Bis
zum Beweis des Gegenteils gehe ich deshalb davon aus, dass unsere sogenannte
Hochkultur nicht nur die technologischen Potenziale der Menschheit in ungeahnte
Höhen schraubt, sondern auch die menschliche Dummheit. Und genau das macht die
gegenwärtige Weltlage so ungemein gefährlich: Wenn
Spitzentechnologie und Spitzenidiotie aufeinandertreffen, sind die Folgen in
der Regel katastrophal!
    Man braucht kein Genie zu sein, um zu erkennen, dass wir uns die
»Macht der Doofen« auf Dauer nicht leisten können. Im Grunde genügt es, die
Welt mit den unvoreingenommenen Augen eines Kindes zu betrachten. In Andersens
Märchen brachte ein einzelnes Kind, das in die »dummen Spiele der Erwachsenen«
nicht eingeweiht war, den gesamten Hofstaat des Irrsinns zu Fall. Ich wünschte,
seinem Beispiel würden mehr und mehr Menschen folgen. Immerhin hat uns die
Evolution mit einem erstaunlich komplexen und wandlungsfähigen Denkapparat
ausgestattet. Wir sollten beginnen, ihn auf intelligentere Weise zu nutzen …

HOMO DEMENS
    Warum ich mich schäme, Mensch zu sein
    Ach, was haben wir uns

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