0414 - Satanische Bilder
Vor gut fünf Jahren war Ricardo Cay aus Argentinien nach England gekommen. In seiner Heimat hatte er keine Perspektive für seine Zukunft gesehen. Einen Beruf hatte der jetzt 25jährige nicht erlernen können, und sein Leben als Hilfsarbeiter oder als Vaquero auf einer Rinder-Hazienda zu verbringen und für einen Hungerlohn zu arbeiten, von dem man nicht leben und nicht sterben konnte, war ihm zuwider. Er entstammte der ärmsten, Bevölkerungsschicht. Aber er war fest entschlossen, etwas aus sich zu machen. Dafür wollte er notfalls dem Teufel seine Seele verschreiben, wie er einmal scherzhaft gesagt hatte.
Zwei Dinge waren sein Startkapital, das ihm niemand nehmen konnte: ein unverschämt attraktives Äußeres, das auf Frauen wie ein Magnet wirkte, und ein unverschämtes Talent zum Malen und zum bildnerischen Gestalten, das schon fast genial war. Er hatte den Blick für das Wesentliche und die Farben perfekt im Griff. Dabei hatte er nie eine Kunstschule besucht. Alles, was er konnte, hatte er sich selbst beigebracht.
In seiner Heimat konnte er damit nichts werden. »Du kannst dir zwar ein Stück Fleisch in die Pfanne malen, aber satt wirst du davon nicht«, hatte sein Vater sarkastisch, aber treffend bemerkt. Dennoch versuchte sich Ricardo in seiner kümmerlichen Freizeit an Bildern, und seine unerschöpfliche Fantasie half ihm dabei. Aber es gab kaum jemanden, der eines seiner Bilder kaufen wollte, und wenn, dann nur zu einem niedrigen Preis. Schon recht bald wurde es Ricardo klar, daß er vom Malen nicht würde leben können -zumindest nicht unter den in seiner Heimat geltenden Umständen.
Er schaffte es, mit einer Agentur in Kontakt zu kommen, die seine Bilder in die USA verkaufte. Aber da er ein unbekannter Künstler war, bezahlte man ihm sehr wenig, und fast die Hälfte davon kassierte die Agentur. Auch jetzt blieb ihm nicht genug, um davon leben zu können.
Manchmal sprach er mit den wenigen Freunden darüber, die er besaß, und das war auch jene Zeit, in der er scherzhaft behauptete, seine Seele dem Teufel verschreiben zu wollen, wenn er nur aus dem Dreck und der Armut heraus käme und etwas aus sich machen könne.
»Meinst du das tatsächlich ernst?« hatte einer seiner Freunde gefragt, den er als besonders religiös kannte.
»Ich meine alles ernst, was ich sage«, hatte er erwidert und dabei gelacht, denn den Teufel gab es natürlich nicht. Ein paar Tage später, als er wieder mit derselben Clique zusammen war, legte ihm einer ein Blatt Papier vor. Lucifuge Rofocale Ltd., stand in großen handgemalten Buchstaben und verschnörkelter Schrift darüber, und darunter das fette Wort »Vertrag«. Die anderen grinsten Ricardo an. »Der Vertrag garantiert dir Erfolg und Reichtum«, sagte der junge Bursche, der ihm den Zettel hinlegte,, »und verlangt nur deine Seele.« Und alle lachten lauthals.
»Das meinst du doch nicht ernst, Jorge«, hatte Ricardo spöttisch gesagt.
»Ich meine alles ernst, was ich sage«, erwiderte Jorge mit Ricardos eigenen Worten, an die der junge Maler sich noch zu gut erinnerte. »Unterschreibst du?«
Er machte das Spiel mit und unterschrieb den Vertrag, in dem er seine Seele dem Teufel verkaufte, um als Gegenleistung Erfolg und Reichtum zu erlangen.
Damals war er gerade achtzehn gewesen. An den Teufel glaubte er natürlich nicht.
Zwei Jahre lang geschah nichts. Er malte, verkaufte über die Agentur hin und wieder ein Bild und schuftete sich ansonsten die Seele aus dem Leib, um ein wenig Geld zusammenzusparen.
Und dann lernte er einen Mann kennen, der am Flughafen arbeitete.
Und da kam ihm die Idee.
Er bestach diesen Mann. Daß dabei seine gesamten kärglichen Ersparnisse draufgingen, berührte ihn nicht weiter. Aber der Mann wußte, daß auf einem der nächsten Flüge nach Europa ein völlig leerer Frachtcontainer befördert werden würde. Und er schmuggelte Ricardo in diesen Container ein.
Der Container war druckfest, so daß die große Flughöhe im fast entlüfteten Frachtraum des Flugzeugs Ricardo Cay nicht schaden konnte. Und die im Innern des Behälters vorhandene Atemluft reichte gerade eben aus, daß er japsend bis nach London kam, wo er nach dem Ausladen die Verriegelung von innen aufbrach und flüchtete.
Er hatte nicht eine einzige Münze in der Tasche. Er besaß nur das, was er auf dem Leib trug. Aber seine Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht half ihm. Ein Mädchen nahm ihn für ein paar Wochen bei sich auf und unterstützte ihn. Er bekam einen neuen
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