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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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Standpunkt war ideal. Er hatte die vierzehnte Zelle des Fegefeuers im Visier, aber auch in den anderen achtundneunzig
     Zellen konnte er jedes noch so geringe Lebenszeichen registrieren. Seit fast einer Stunde wartete er, unbeweglich und doch
     bemüht, hin und wieder Arme und Beine zu lockern, und in dieser Zeit war er mehr als einmal von Geräuschen aus dem Inneren
     des Gefängnisses aufgeschreckt worden. Ratten. Wildkaninchen. Vögel. Nichts, wovor man sich fürchten musste, denn ein wildes
     Raubtier, ein Zweibeiner, gab Ranieri Rückendeckung.
    Belmondo erwartete den Kommissar am Haupteingang. Er sollte ihn liquidieren, sobald er über das Tor kletterte und somit gehandicapt
     war.
    Der Minister wusste aber, dass der Kommissar kein Trottel war. Wenn Luciani etwas ahnte, dann konnte er eine andere Stelle
     zum Einsteigen finden. Aber auch wenn er etwas ahnte, so änderte das wenig, denn befand sich Marco Luciani erst einmal im
     Zuchthaus, dann war er in seiner Gewalt.
    Es gab keinen Ort auf Erden, an dem man sich Gottes Blick entziehen konnte.
    Er hörte einen dumpfen Schlag, auf zehn Uhr, lud die Waffe und richtete den Lauf auf die entsprechende Position.
    Es folgten zehn Sekunden Stille in totaler Finsternis, dann sah Minister Ranieri das kurze Aufflackern einer Taschenlampe.
     »Da bist du!«, flüsterte er und richtete das Infrarot-Zielfernrohr auf den Schatten im Innern der Zelle. Er war ausgesprochen
     stolz, als er merkte, dass seine Hand nicht zitterte. Es machte tatsächlich keinen Unterschied, ob man auf eine Zielscheibe
     oder einen Menschen schoss. |380| Der einzige Unterschied war, dass ihm hier nur ein einziger Versuch zur Verfügung stand, einen Fehlschuss konnte er sich nicht
     erlauben. Er musste auf das Zentrum des Ziels halten, auf Brust oder Bauch, denn der Kommissar war zu groß, und sein Kopf
     wurde durch den Türsturz verdeckt.
    Er strich über den Abzug und feuerte. Der Knall des Schusses verschmolz mit Marco Lucianis Schrei.

|381| Vierundsechzig
    Marietto
    Ventotene, in der Nacht des 29. Dezember
     
    Die drei Männer standen am Strand, im Flachwasser in ihrem Rücken trieb Mariettos Leiche. Belmondo starrte Ranieri an, dann
     wanderte sein Blick zum Kalabreser und wieder zum Abgeordneten zurück, wie um zu fragen, ob er nicht auch den anderen Zeugen
     eliminieren sollte.
    Der Kalabreser spürte einen Stich im Magen, schaute Ranieri an und dann dessen Leibwächter. Sie waren zu zweit, beide bewaffnet.
     Er hatte nur eine Chance: er musste sie überzeugen, dass sie ihn noch brauchten.
    »Es wird wie ein Selbstmord aussehen. Aber wenn etwas schiefgehen sollte, Herr Professor, dann werde ich die Schuld auf mich
     nehmen. Ich werde sagen, dass wir einst Freunde waren und noch eine alte Rechnung offen hatten. In meinem Alter wird man mich
     nicht mehr ins Gefängnis stecken.«
    »Du magst vielleicht alt sein, aber dein Hirn ist noch in Schuss«, grinste Belmondo. »Und wieso sollten wir dir glauben, dass
     du den Mund hältst?«
    »Weil der Professor meine Schulden bezahlen wird. Und dafür sorgen wird, dass es mir gutgeht in den paar Jahren, die mir noch
     bleiben. Es ist ja auch mein Verdienst, dass er seinen Schatz wiederhat.«
    Ludovico Ranieri drehte sich um und betrachtete das Bündel, das auf dem Strand lag. Durch den Schock hatte er es ganz vergessen.
     Die drei setzten sich gleichzeitig in Bewegung, der Professor kniete sich vor den Kopf, die beiden anderen blieben hinter
     ihm stehen und richteten die Taschenlampen aus, bereit, das Wunder mitzuerleben.
    |382| »Warte«, sagte Ranieri zu sich selbst, »warte. Sie ist vierzig Jahre in der Erde vergraben gewesen, man muss sie gut behandeln.
     Mit Feingefühl. Mit Fingerspitzengefühl.«
    Er verschob den Kopf einige Zentimeter und war erstaunt, wie leicht er war. Langsam schlug er den rot-weiß gestreiften Stofffetzen
     auseinander, und als der Lichtschein auf dessen Inhalt fiel, wichen alle drei Männer erschrocken zurück. Ein Totenschädel,
     ein widerlicher deformierter Totenkopf starrte sie aus leeren Augenhöhlen und mit einem höhnischen Grinsen an.
    »Was zum Geier …«, sagte Belmondo.
    »Was … aber was soll das denn?«, flüsterte Ranieri ungläubig.
    Der Kalabreser richtete die Taschenlampe wieder auf den Totenkopf, betrachtete ihn eine Weile und sagte schließlich leise:
     »Hier hast du also gesteckt, Tarantino.«
     
    So blieben sie stehen, gelähmt und benommen, bis die Erkenntnis in ihr Bewusstsein eingesickert

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