Keine Zeit und trotzdem fit
im gleichen Lärm, in der gleich schlechten Luft, bekommen sie keinen Herzinfarkt. Weshalb brauchen sie bis an ihr Lebensende keine Gelenkprothesen? Weil sie sich natürlich bewegen! Sie rennen und hasten nicht, sondern sie »ziehen«, sie »schnüren«, sie »streichen ab«, sie »trollen sich«, alles Begriffe von moderater Bewegung. Nur selten werden sie hochflüchtig. Und wenn sie mal »abspringen«, dann nur für 50 oder 100 Meter bis ins nächste Gebüsch. Das dazu für uns Menschen passende Wort wäre »schlendern«. Es ist jedoch völlig aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Zum Schlendern haben wir heute keine Zeit mehr. Wir hasten und eilen dagegen mit Auto, Flugzeug und Rolltreppe, aber bewegen uns trotzdem immer weniger, sitzen schon im Durchschnitt mehr als dreieinhalb Stunden vor dem Fernseher.
Der Aachener Gesundheitsforscher Michael de Toja beklagt, »dass ein Mensch, der sich heute morgens duscht, quantitativ mehr Muskeln aktiviert als am übrigen Tag im Büro«! Tatsächlich gehen wir durchschnittlich nur noch knapp 1000 statt notwendiger 9000 Schritte am Tag. Mithilfe eines Schrittzählers, auf den wir auf Seite 140 noch eingehen werden, können Sie das selbst leicht feststellen.
Professor Wildor Hollmann, Ehrenpräsident des Weltverbandes für Sportmedizin und ehemaliger Leiter des Instituts für Herz-Kreislauf-Forschung an der Sporthochschule Köln rechnete vor, dass wir innerhalb der letzten 30 Jahre unseren muskulär-kalorischen Verbrauch aufgrund mangelnder Bewegung um 900 Kilokalorien pro Tag reduziert haben, und erklärt: »Einen solch drastischen Stoffwechselrückgang hat es in der gesamten Menschheitsgeschichte niemals zuvor in so kurzer Zeit gegeben. Das kann nicht ohne Folgen |21| bleiben.« Mittlerweile werden die meisten Tätigkeiten von Maschinen übernommen. Wir selbst führen nur noch Restarbeiten aus.
Die Gegenmaßnahmen scheinen logisch: Aufforderung zu mehr Sport und Trimm-dich-Aktionen und Aufklärungsarbeit über richtige Ernährung. Aber bisher hat das alles wenig genutzt. Die Annahme, dass eine Verhaltensänderung schon allein deswegen eintritt, weil das Angebot vergrößert wird, hat sich erwiesenermaßen nicht bestätigt. Sie hat im Gegenteil bewirkt, dass der Freizeitsport zum Unfallrisiko Nummer 1 in Deutschland geworden ist. In den letzten Jahren mussten sich durchschnittlich 33 Prozent der Deutschen mindestens einmal in ärztliche Behandlung begeben, weil sie sich bei Sport und Spiel verletzt hatten. Stattdessen gibt es viele Menschen, die zu viel des Guten tun und sich auf diese Weise eher schaden. Hauptgründe: Fehleinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeiten und mangelnde Eigenverantwortung.
Hier muss der Hebel angesetzt werden. Statt ständig neue Modesportarten zu propagieren, wäre es sinnvoll, eine innere Zuwendung der Betroffenen zu mehr Bewegung zu wecken und so die Basis zur Übernahme von Eigenverantwortung zu schaffen.
Dazu brauchen wir eine andere Einstellung: Eine Einstellung, die sich nicht an bestimmten Leistungen, sondern an Lebensfreude orientiert und die so viel Raum für Hintergrundinformationen lässt, dass ein Kompetenztransfer möglich wird, der Grundlagen für richtige Entscheidungen liefert. Eine Einstellung, die sich an berühmten und leistungsfähigen Menschen orientiert, die gesund alt geworden und ohne Krankheiten gestorben sind.
Zum Beispiel an Konrad Adenauer, der täglich mehrfach die über 90 Treppenstufen zu seinem Haus in Rhöndorf stieg, Boccia spielte und im Übrigen seine Rosen beschnitt. Er hat auf die Frage von Journalisten, ob ihm eine Rolltreppe zum Überwinden dieser eben genannten 90 Stufen nützlich wäre, mit folgenden Worten geantwortet: »Sie sind wohl von der Opposition, dass Sie mich umbringen wollen. Sie wissen doch ganz genau, dass das tägliche Treppensteigen |22| mich fit hält.« Auch Jean-Paul Sartre hat immer noch Recht mit seinem Ausspruch: »In der Jugend ruinieren wir unsere Gesundheit um unseres Kontos willen. Im Alter ruinieren wir unser Konto, um unsere Gesundheit aufzupäppeln.«
Wir huldigen dem Spitzensport, kommen aber selbst nicht in Bewegung. Wir wollen gesund sein, tun aber zu wenig dafür. In den folgenden Kapiteln wird das Paradox begründet. Dabei zeigen wir Ihnen, wie Sie dennoch gesund und leistungsfähig werden und bleiben können. Es ist einfacher, als viele denken. Wir müssen nur die Zusammenhänge kennen und dieses Wissen angemessen in die Tat umsetzen.
Entspannen Sie sich
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