Keine Zeit und trotzdem fit
Degenfechten, Kraulschwimmen und Reiten musste ich neu lernen, auch im Pistolenschießen war ich ungeübt. Nur Ausdauerlaufen konnte ich bereits gut.
Nach einem Jahr hatte ich bereits die Spitzengruppe der Bundeswehr erreicht, die damals die halbe Nationalmannschaft stellte. Und genau 732 Tage nach meinem ersten Trainingstag gewann ich 1963 die Bronzemedaille bei der Deutschen Meisterschaft. Damit qualifizierte ich mich für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio und wurde ab sofort von fünf verschiedenen Bundestrainern auf die Wettkämpfe vorbereitet. Und alle forderten gnadenlos Maximalleistungen.
Ich merkte jedoch, wie meine Leistungen durch das harte Training nachließen, statt besser zu werden. Daraus zog ich den Schluss, die Trainingsforderungen nur noch zur Hälfte zu erfüllen. Nicht mehr vierzig 100-Meter-Intervallläufe in je 12,5 Sekunden mit jeweils nur einer Minute Pause dazwischen, wie es der Bundestrainer forderte, sondern nur noch zwanzig. Das Ergebnis: Ich stellte einen neuen deutschen Rekord auf. 1964 gewann ich bei der Militär-WM eine Bronze- und mit der Mannschaft eine Silbermedaille.
Ganz entscheidend für diese Leistungen war, dass ich mich im Training nicht verausgabt und meine Energiepotenziale nicht bereits unnötig verpulvert hatte. Und das ist auch der Grund, weshalb ich heute noch Spitzenleistungen in meiner Altersgruppe bringe und seit Jahren regelmäßig Landesmeister im Orientierungslaufen |13| bin, während meine früheren Sportfreunde aus der Nationalmannschaft alt, verbraucht und drei von ihnen schon tot sind.
Durch meine sportkritischen Aufsätze in Bundeswehr-Fachzeitschriften wurde man im Personalamt auf mich aufmerksam und bot mir an, der erste militärische Sportdezernent der Bundeswehr zu werden. Ich sagte zu und avancierte somit sozusagen über Nacht zum »Cheftrainer« des Heeres in der Bundeswehr. Zu meinen Aufgaben gehörten der Breiten- und Spitzensport, vornehmlich internationale Wettkämpfe, das Vorschriftenwesen und vieles mehr.
Als Sportlehrerin machte ich, Marlén von Kunhardt, derweilen die Erfahrung, dass meine Schüler und Schülerinnen umso bessere Noten schrieben, je häufiger sie körperlich in Bewegung waren. Wir wollten mehr über den Zusammenhang zwischen Bewegung und Leistung wissen, insbesondere, wie körperliche Leistungen mit minimalem Aufwand verbessert werden können. Also nahmen wir Verbindung zu renommierten Universitätslehrern auf.
Wie alles begann
Professor Dr. med. Volker Diehl
gab uns das Stichwort »Homöostase«. Er lehrte uns, dass es auf das Gleichgewicht, die Balance des Stoffwechsels ankomme. Also nicht einseitig das Tempo erhöhen, sondern den ganzen Körper mit seinem Immunsystem im Auge behalten, weil die Selbstheilungskräfte unvorstellbar groß sind.
Professor Dr. med. Horst von der Hardt
überzeugte uns während eines gemeinsamen Spazierganges in der Lüneburger Heide, wo wir völlig verdreckte Kinder beim Spielen beobachteten, mit der Feststellung, dass diese Kinder ihr Immunsystem dadurch so trainieren, dass sie mit größter Wahrscheinlichkeit keine Allergien bekommen werden. Wir begriffen, dass unser Immunsystem genauso anpassungsfähig ist, wie Muskeln trainierbar sind.
|14| Von
Professor Dr. med. Wildor Hollmann
bekamen wir den Hinweis »Weniger ist mehr«. Er zeigte uns mit seinen Forschungen, dass sich die meisten Freizeitsportler – an Säuren gemessen – bis an den Rand des körperlichen Zusammenbruchs belasten, weil sie den Schmerz wegen der gerade deswegen überproduzierten Beta-Endorphine und der daraus entstehenden Glücksgefühle nicht bemerken.
Von
Professor Dr. med. Richard Rost
lernten wir, dass es nicht nur um eine halbe Stunde Jogging am Tag geht, sondern um ein insgesamt bewegtes Leben. Er schockte uns: »Wer sich heute nicht mehr bewegt, ist gewissermaßen schon ein bisschen tot.« Der Dirigent Kurt Masur bestätigte auf die Frage eines Redakteurs des NDR in der Sendung
NDR Kultur
am 4. Oktober 2006, ob er denn nicht im 81. Lebensjahr so langsam seinen Ruhestand genießen möchte, eindrucksvoll: »Ich denke nicht ans Aufhören. Das täte meinem Körper nicht gut und käme einem Todesurteil gleich!«
Von
Professor Dr. med. Gerrit Simon
erfuhren wir, dass schnellstmögliches Muskelwachstum durch »Isometrisches Training« möglich ist, also durch eine maximale Muskelanspannung von nur fünf bis zehn Sekunden gegen nicht ausweichenden Widerstand. Wir müssen uns also nicht unbedingt eine Stunde lang im
Weitere Kostenlose Bücher