Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)
Wochenende einen mittelalterlichen Markt zu Gast und es scheint, als sei jeder zweite Bewohner im Kostüm unterwegs. Genießen kann ich den Anblick bei der Ankunft gar nicht … ich brauche eine Dusche und ein sicheres Bett. Nach der Dusche tummeln wir uns auf dem Markt. Sandy und mir knurrt der Magen. Zwei Falafel und einen Crêpe später, ist der Hunger endlich gestillt. Wir treffen auch Bea wieder, die aus Leon einen Tag vor uns abgereist ist. Um 22:00 Uhr liegen wir in der Heia und verpassen den Rest des Spektakels mit nächtlichem Umzug etc.
05.06.: Hospital de Orbigo – Santa Catalina de Somoza (27,1km)
Heute wache ich spät auf … der Großteil vom Zimmer schläft noch … entweder waren die alle noch auf Tour oder man hat uns bei der Ankunft im Gesicht angesehen, dass wir Langschläfer sind. Es ist 7:30 Uhr. Völlig untypisch, nicht schon von irgendwelchen Geräuschen, einem verirrten Taschenlampenstrahl oder – schlimmer – vom angeschalteten Deckenlicht geweckt worden zu sein. (Als Vorgriff: Ich bin froh, in den ganzen Wochen nicht einmal durch das Anschalten der Deckenbeleuchtung gewecktworden zu sein. Im Zweifelsfall hätte ich wohl meine Einsatzstiefel gesucht und bei ausbleibendem Gong darauf gewartet, dass das Licht automatisch wieder ausgeht.) Wir schaffen es dann doch um 9:00 Uhr loszulaufen … Bea‘s Stöcke sind weg … Spekulationen, was damit passiert ist, gibt es viele, natürlich steht auch das Wort Diebstahl im Raum … halten wir fest: Sie sind nicht da, das ist schlimm genug für Bea. Sie tauchen auch nicht mehr auf. Dementsprechend gut ist die Stimmung, aber immerhin teilen sich Bea und Catia bis Astorga die Stöcke von Catia. Bei der heutigen Wegführung mit dem Auf und Ab und dem Geröll sind die Stöcke wirklich hilfreich und der Verlust somit tragischer, als er ohnehin schon ist. Sandy ist heute morgen nicht gut drauf, er möchte das erste Stück alleine gehen. Wir treffen ihn beim zweiten Frühstück gegen 10:00 Uhr. Als um 10:30 Uhr die Kirchenglocken läuten und zusätzlich über Außenlautsprecher Musik gespielt wird, um die Gläubigen zum Gottesdienst zu rufen, entscheidet er sich nachzukommen und zuerst in die Messe zu gehen. Andreas bleibt bei ihm. Wir verabreden uns für Murias de Rechivaldo, einen Ort hinter Astorga.
Der Rest macht sich gegen 10:40 Uhr auf den Weg. Irgendwas ist anders … ich weiß nicht genau was, aber ich habe keine Lust zu reden, das Tempo ist mir zu langsam und ich habe den Impuls, an meine Grenzen zu stoßen. Also verabschiede ich mich von den anderen und laufe los – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Stöcke geben die Möglichkeit her, für Pilgerverhältnisse zu „rasen“. Ich will nur so schnell wie möglich gehen und alleine sein. Das schaffe ich dann auch, als ich um 12:40 auf dem zentralen Platz von Astorga stehe. 2 Stunden für 12,8km – es klingt schwer bescheuert, genossen habe ich die Strecke auch nicht, viel gesehen von der Umgebung wohl auch eher weniger. Aber nun geht es mir besser. Vor dem Café treffe ich sitzenderweise und tagebuchschreibend die junge Dame, die letzte Nacht im selben Hochbett geschlafen hat. Wir kommen ins Gespräch; Zsofi aus Ungarn ist den Camino eine ganze Ecke später als ich gestartet, hat auchjetzt weniger Zeit, um nach Finisterre zu gelangen. Manchmal frage ich mich, welche Zeitplanung die Leute an den Tag legen. In Atapuerca waren zwei Jungs auf dem Weg, die planmäßig zwischen 35 und 40 Kilometer am Tag machen mussten, um überhaupt das Soll zu erreichen. Wahnsinn, das wäre mir zu stressig.
Nichtsdestotrotz hat Zsofi an diesem Mittag Zeit für eine größere Pause. Wir gehen nach knapp anderthalb Stunden zusammen los. Es dauert nicht lange und wir sind in dem Dorf, in dem ich mich mit den anderen verabredet habe … ich bin nicht annähernd müde und es ist gerade mal 15:30 Uhr. Also gehe ich mit ihr weiter, bis in den nächsten Ort, der nochmals 5,3 Kilometer weiter liegt. Wir finden sofort eine Herberge, in der wir auch waschen lassen können. Also erstmal duschen und dann Pulli und Unterhose angezogen. Der Rest geht in die Wäsche. Ich möchte mal alles waschen lassen. Es ist allerdings nicht so ganz warm und lediglich mit blauer Boxershorts und Pulli bekleidet, bleiben nicht viele Möglichkeiten den Nachmittag zu nutzen. Es hilft alles nichts, ich muss Sandy eine Email über meinen Verbleib schreiben. Handy habe ich ja keins mit und eine Telefonnummer von ihm auch nicht. Also setze ich mich so
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