Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)
bekleidet in den Eingangsbereich der Herberge an den Rechner – „stupid pilgrim“. Nachdem das getan ist, habe ich mich mit dem Umstand abgefunden. Zsofi und ich setzen uns auf die Terrasse zu den anderen Pilgern. Was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht realisiert habe ist, dass hinter der Scheibe zum Restaurant eine Kommunion oder Vergleichbares stattfindet. Na super, die werden die Fotos, die sie schießen, als die Kinder nachher zwischen uns hin- und herlaufen, auch in guter Erinnerung behalten. „Ach guck mal wie schön die Kinder aussehen … aber wer zur Hölle ist der Typ da mit dem Bier und der blauen Shorts?“ Als ich das alles bemerke sind die Fotos geschossen und keiner hat sich beschwert, also keinen Grund, nun überhastet zu flüchten. In den meisten Pilgerherbergen laufen immer wieder Leute leicht bekleidet rum, aus genau demselben Grund wie ich.
Bei zwei Garnituren Wäsche bleibt nunmal kein Puffer. Die Hospitaliera hat circa drei Stunden für Waschen und Trocknen veranschlagt. Irgendwann, als ich schon darüber nachdenke auch so bekleidet das Abendessen zu mir zu nehmen, mangels Optionen und der Tatsache, dass drei Stunden nicht unbedingt drei Stunden heißen, fällt mir ein, dass ich ja noch meine Regenhose im Rucksack habe … Nun ja, besser spät als nie. Ich fühle mich auch direkt wohler. So laufen wir durch das Dorf und warten, dass es Zeit fürs Pilgermenü wird. Wir treffen noch einmal Paulette aus San Francisco und eine weitere Amerikanerin, die uns zu überzeugen versucht, ab Ponferrada eine Wegalternative fernab des regulären Camino zu gehen. Ich verspreche ihr, darüber nachzudenken und gelobe, am nächsten Tag Sandy Bescheid zu geben. Ich werde morgen nur das erste Stück mit Zsofi wandern und dann an einer guten Möglichkeit für‘s zweite Frühstück auf die anderen warten. Der Abend geht ereignislos zu Ende. Wir bekommen als Vorspeise ein Gericht aus Kichererbsen, was einer Variation der sonstigen Speisen entspricht … und wir erhalten unsere saubere Wäsche wieder. Ein tolles Gefühl, alles sauber zu haben. Die Nacht wird stickig und unruhig, weil die Holzbetten – immer 4 aneinander – alle zusammen quietschen, wenn sich einer im Schlaf auch nur an der Nase kratzt. Aber wir finden unseren Schlaf, wenn auch nicht den besten!
06.06.: Santa Catalina de Somoza – Foncebadon (17,5km)
Wir frühstücken in der Herberge. Ein erfrischendes Gefühl, maschinengewaschene Wäsche zu tragen, auch wenn man keinen Vergleich zu der zu Hause gewaschenen Wäsche tätigen sollte. Aber lieber ein paar Grad zu wenig, als nachher Kindergrößen wieder zu bekommen. Beim Frühstück ist Stephan aus Quebec dabei.
Ganz offensichtlich ist Quebecer nicht gleich Kanadier … scheint so ein Völkchen zu sein, wie bei uns die Bayern. Er ist ein ganz sympathischer Kerl, der beruflich Häuser kauft, saniert und dann weiterverkauft, bzw. vermietet. Er hat die Statur eines Basketballers – Zsofi und ich gehen schon mal vor, bei der Beinlänge hat er uns ohnehin in einer halben Stunde eingeholt. Wir gehen gemächlich los, werden unterwegs von Matusch (Slowakei) und Monika (Niederbayern) eingeholt. Zsofi kennt die beiden. Es ist interessant zu sehen, wie auf einmal die Temposchraube angezogen wird, ohne dass jemand etwas sagt oder dazu auffordert. Matusch ist nach kurzer Zeit vorne weggelaufen und nicht mehr zu sehen. Nach anfänglicher Unterhaltung versinken wir drei jeder in unseren Gedanken. Das ändert sich auch nicht mehr bis wir in Rabanal eintreffen. Dort trinken wir noch einen Kaffee und ich beginne mit meinem zweiten Frühstück. Als ersten Gang gibt es Kuchen. Monika und Matusch brechen bald auf und sind weg. Zsofi schreibt noch weiter in ihrem Tagebuch, ich hingegen genieße den Kuchen und halte Ausschau nach den anderen. Zsofi bricht nach ihrem Kaffee auch auf – wir verabschieden uns und wünschen gegenseitig viel Glück. Sehen werden wir uns, wenn es regulär zugeht, nicht mehr, dafür ist ihr Zeitplan zu eng gestrickt. So gönne ich mir noch ein Bocadillo und freue mich, als Nikki, Alex, Sandy und Andreas auftauchen. Nach kurzer gemeinsamer Rast geht es weiter. Das Wetter ist heute wechselhaft.
Mal sieht es so aus, als regne es jeden Moment, einen Moment später kommen dann ein paar Tropfen und dann ist es wieder einfach nur schwül.
Heute schreiben wir Geschichte und reihen uns ein in die Tradition der türmchenbauenden Pilger. Ein Wunder, dass keiner dabei verletzt wird und unser
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