Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)
you interested in philosophy?“ und als letzte Frage in vier Minuten, an einem letzten Rest Zigarette ziehend: „What do you think about Nietzsche?“ Ein running gag war geboren. Wir wissen bis heute nicht, ob der junge Mann betrunken war, oder einfach seinem grundsätzlichen Geist nachgegeben hat. Im Anschluss gehen wir in eine doch recht stylische Bar. Abgesehen von Stephan und mir beschließen die anderen, nach einem letzen Drink auf der Terrasse, zu gehen. Ich entscheide, mir das Treiben im Inneren anzusehen, weil es mir draußen trotz Fleece einfach zu kalt wird. Stephan kommt mit. Er hat sogenannte Stadtkleidung, also Jeans, Shirt und unauffällige Schuhe, weil er nur ein paar Tage wandert und nebenbei auch irgendwie Urlaub macht. Die restlichen Spanier sind aufgetakelt wie in einer Kölner Szenedisco …und dann bin da noch ich. Ein schwarzes Falke-Funktionsshirt, eine beige Zipphose, schwarze Wandersocken uuuuuuuund meine guten Teva-Trekkingsandalen. Ich muss nicht erwähnen, dass ich meines Kleidungsstils nicht sicher war – die anderen Gäste sahen das ähnlich. Um halb drei entscheide ich, dass es meinem Körper angesichts der morgigen Etappe reicht und die Augen der Umstehenden genug gelitten haben und gehe ins Bett.
04.06.: Leon – Hospital de Orbigo (37,0km)
Was soll ich groß um das Unvermeidliche herumreden: Der Morgen war infolge des zweiten Tages mit Schlafmangel – wir stehen um 7:30 Uhr, für mich nach 5 Stunden Schlaf auf – entsprechend bescheiden. Der Alkohol des vergangenen Abends tut sein Übriges, um mir meine Motivation für den weiteren Weg zu klauen. Catia ist pünktlich am Hotel und so laufen wir drei los. Die Beinesind müde, der Rucksack schwer, die Schultern fangen an, weh zu tun. Ein sicheres Zeichen, dass das Frühstück aus Küchlein nicht ausreichend war. Hinzu kommt meine Grundmüdigkeit. Ich bin eher schweigsam an dem Morgen. Besser wird es nach zwei Kilometern, als die erste Bar auf unserem Weg offen hat. Hier gibt es „Bocadillo Spezial“, mit Tomaten, Zwiebeln, Gurke, Paprika etc. – die EHEC-Aufregung geht fast spurlos an uns vorbei. Wir haben einfach keine Lust, uns auch noch mit dem nächsten Supergau zu beschäftigen, zudem die spanischen Medien das Ganze nicht so hochkochen wie es in Deutschland anscheinend der Fall war. Ich esse selig mein Sandwich im Gehen und komme so langsam wieder in den Tritt. Wir treffen einen Mann mit einem Eimer, gelber Farbe und Pinsel in der Hand … einen „Pfeilemaler“, der unseren Weg markiert. Vor lauter Interesse und Befragung vergessen wir völlig ein Foto zu schießen oder nach seinem Namen zu fragen. So bleibt er namenlos, dafür mit guten Wünschen hinter uns und sorgt für uns Pilger.
Gegen 11:00 Uhr machen wir die erste Pause an einem Picknicktisch und packen die Vorräte auf den Tisch, die wir gestern gekauft haben. Zu uns gesellen sich Annina (Österreich) und Luigi (Italien). Wir machen gemeinsam Pause und gehen danach zu fünft weiter. Annina ist die junge Dame, zu der ich in Hornillos del Camino leider eine Beziehung verneint und somit seitens der Hospitaliera auch keine Zuflucht für die Nacht zugestanden bekommen habe. Heute erzählt Annina, dass das an besagtem Tage alles so schnell gegangen und sie im Nachhinein nach 20 Minuten Pause auch durchaus noch mit gewandert wäre. Tja … hätte, hätte, Fahrradkette! Als kleine Aufmerksamkeit für mein „ritterliches“ Verhalten, ihr das Bett zu überlassen, spendiert sie mir heute ein Eis. Da hat sich das Ganze doch gelohnt. Luigi und sie entscheiden sich jedoch diesen Tag vor uns zu beenden. Wir haben vor, eine lange Etappe nach Hospital de Orbigo zu absolvieren. In dem Örtchen, in dem sich unsere Wege trennen, besuchen wir noch kurz Sandys Schwester auf ein kurzes Hallo. Sie hat mit erheblichen Blasenzu kämpfen und musste häufiger pausieren, bzw. den Bus nehmen. Sandy nennt sie auch schon mal scherzhafterweise „pelegrino de autobus“. Sandy, Catia und ich gehen also weiter, um drei Kilometer vor unserem Tagesziel in einen schönen Regenguss zu kommen. Wir gehen unter einem Vordach in Stellung und essen die letzten Früchte des Tages. Als es aufhört zu regnen und Sandy gerade unter dem Vordach hervortreten will, während er sagt: „Ich glaube wir können …“ schlägt der Blitz in direkter Nähe ein. Wettervorhersagen sind wirklich nicht sein Business.
In Orbigo kommen wir gegen 19:00 Uhr an. In der City ist die Hölle los. Die Stadt hat über das
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