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Keinmaerchen

Keinmaerchen

Titel: Keinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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und schmutzig.
    Dann sieht sie den Schattenmann. Sie presst die Hand auf ihren Mund. Nicht schreien und auf keinen Fall weinen. Vielleicht hat er sie noch nicht entdeckt. Er ist blind, aber nicht taub. Schritt für Schritt weg von ihm. Nicht zu schnell und überlegt, kein Geräusch verursachen, seine Ohren sind empfindlich, nehmen jeden Laut wahr.
    Lieg still und starr in deinem Bett und rühr dich nicht. Der Morgen kommt bestimmt, vertreibt die Schatten, bringt das Licht.
    Sie sagt den Vers nicht laut, sie flüstert ihn nicht einmal, aber er schlängelt sich durch ihren Kopf, rund und rund und wieder rundherum. Wenn die Sonne aufgeht, ist alles vorbei. Aber hier wird keine Sonne aufgehen, nicht hier unten. Hier ist Schattenland. Ein Tränenklumpen steckt in ihrem Hals, sie kann kaum atmen. Nicht weinen. Weiter. Langsam. Vorsichtig, Schritt für Schritt. Den Schattenmann nicht aus den Augen verlieren, den Boden nach Stolperfallen abtasten, Atem durch den Tränenklumpen zwingen. Dann packt er sie, presst die Hand auf ihren Mund, reißt sie zurück und zerrt sie ins Dunkel.

Conchúbar, Herr Blum und unmögliche Begegnungen
    Nut zitterte am ganzen Körper, Conchúbar nahm seine Hand. Er legte einen Finger über die Lippen und bedeutete dem Jungen, still zu sein. Dann wies er auf die Luke, die über ihren Köpfen in der Wand zu sehen war. Der Schattenmann näherte sich nun schneller. Eben noch auf der anderen Seite der Spule, war er nun nur noch wenige Schritte entfernt. Es hatte keinen Sinn, darauf zu hoffen, dass er sie nicht bemerken würde, er hatte es bereits getan und steuerte zielgerade auf sie zu.
    Conchúbar riss die Luke aus der Verankerung, hob Nut hoch und schob ihn unsanft in die Öffnung, dann sprang er und zog sich selbst hinein. Er konnte nur hoffen, dass der Schattenmann ihnen nicht ins Dunkel folgen konnte. Und es war dunkel in der engen Röhre. Sie krochen schnell voran und bald schon war es stockfinster. Nut atmete schnell und ungleichmäßig.
    “Keine Angst”, flüsterte Conchúbar. “Keine Angst, ich bin bei dir.”
    Sie nehmen mehrere Abzweigungen, tasteten sich voran, so schnell es möglich war. Dann schepperte etwas, Licht fiel in die Röhre und Nut stürzte durch eine weitere Luke im Boden. Ohne nachzudenken sprang Conchúbar ihm nach und landete neben dem Jungen auf einer weichen Matratze.
    Hinter einem riesigen Schreibtisch saß ein Mann und starrte sie aus aufgerissenen Augen an. Sein Mund klappte auf und wieder zu, dann schüttelte er den Kopf, nahm eine der beiden Brillen ab, putzte sie und schob sie wieder über die zweite.
    Conchúbar stieg aus dem Bett und zog Nut mit sich, der sich mit beiden Händen an seinem Arm festklammerte.
    Auf dem Boden hockte ein Junge vor einem flimmernden Apparat. Auch er starrte die beiden nur an. Erst Conchúbar, dann Nut. “Du”, sagte er dann.
    Nut presste sich noch enger an den Alb.
    “Du”, sagte der Junge noch einmal und seine Stimme klang wie Sand auf einer Schiefertafel.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch räusperte sich. “Nun denn”, sagte er. “Ich bin … Ich weiß nicht, wie …” Er kramte in einer Schublade, zog ein Kästchen hervor und riss hektisch den Deckel herunter. Bunte Pillen schwappten heraus und hüpften über den mit Papieren bedeckten Schreibtisch und kullerten über den Boden. Der Mann sammelte einige auf und warf sie sich in den Mund. Dann nahm er einen großen Schluck aus einer Tasse, deren Henkel abgebrochen war, und schloss die Augen. Er zählte laut bis zehn, öffnete sie wieder und schlug sich mit der Faust in die Handfläche. “Ach du grüne Neune! Das kann doch nicht …” Er sprang auf. Die Papierstapel kamen ins Rutschen und segelten zu Boden.
    Auch der Junge hatte sich vom Boden erhoben. Er starrte immer noch Nut an, als hätte er noch niemals ein Menschenkind zu Gesicht bekommen. Er ging näher an Nut heran und ließ sich vor ihm auf die Knie sinken.
    Der Mann stapfte hinter dem Schreibtisch auf und ab, kratzte sich abwechselnd am Kopf oder rang die Hände und sagte: “Donnerlittchen. Potzblitz und Regenguss.” Dann fing er an, seine Papiere zu durchblättern.
    Conchúbar blieb ganz ruhig stehen und behielt den Jungen im Auge, der jetzt seine Hand ausstreckte, und Nut eine Strähne aus der Stirn strich. “Du bist Erin”, sagte er zu Nut. “Du hast es vergessen, nicht wahr?”
    Nut bewegte die Lippen, aber es kam kein Ton heraus. Er lockerte den Griff um Conchúbars Arm.
    Der Alb sah den größeren

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