Sex and Crime auf Königsthronen
W ie schreibt man – außerhalb wissenschaftlicher Fachseminare – heute angemessen über Europas Könige und Europas Adel?
Auf den Knien des Herzens, wie die rührselige Sparte der Klatschpresse? Voll Ehrfurcht vor den Verdiensten und vor der erhabenen Würde, wie versprengte Monarchistenvereine? Mit revolutionärem Biss à la Heinrich Heine: »Der Teufel, der Adel und die Jesuiten existieren nur so lange, als man an sie glaubt.« Augenzwinkernd, wie der adlig geborene Soziologe Sir Bertrand Russel: »Alle Familien sind gleich alt, manche haben nur eine bessere Buchführung hinterlassen.« Oder im Stil von Englands royal ratpack : scheinheilig empört und klammheimlich begeistert über jeden Patzer von Blaublütern und Potentaten? Eine Mischung aus allem erscheint mir gerechtfertigt.
Fest steht: Das Interesse am Adel und an der Staatsform Monarchie ist auch nach dem Sturz oder der demokratischen Entschärfung von Europas Majestäten bunt, widersprüchlich und lebendig.
Könige und Adlige faszinieren nach wie vor – in der Forschung und im Friseursalon. Das beweist neben der Klatschpresse auch die Begeisterung für Biografien gekrönter Häupter, TV -Dokumentationen und historische Romane rund um Royals. Letztere sind auch in Deutschland sensationell erfolgreich, obwohl 1918 unser letzter Kaiser abgesetzt und sämtliche Adelstitel abgeschafft wurden. Die deutsche Monarchie zerplatzte wie eine Seifenblase, und kaum jemand vermisst sie hierzulande auf der Politbühne.
Schon Thomas Mann notierte in seinem Tagebuch: »Ich habe nichts gegen den Fall der Dynastien und des Kaisertums … (Es) ist ein romantisches Rudiment, das von Wilhelm II. auch in solchem Sinne dargestellt wurde, auf sehr nervöse, rauschhafte und provozierende Art, und das sich praktisch wirklich erübrigt.«
Die Weimarer Republik ging nach der Novemberrevolution von 1918 – bei der in Richtung Palast nur recht harmlose Schüsse fielen – schonend um mit dem Kaiser und den Aristokraten. Wilhelm wurde ins holländische Exil entlassen. Der Staat übernahm die pflege- und kostenintensiven Schlösser und Parks fürstlicher Familien, während er ihnen die bewohnbaren Häuser und einträgliche Vermögensanteile überließ. Unter anderem deshalb notierte Kurt Tucholsky, alias Peter Panter und Theobald Tiger, spitz: »Wegen ungünstiger Witterung fand die deutsche Revolution in der Musik statt.«
Ein mehr oder minder komfortables Fortleben ist Königen und ihrer Entourage auch in unserer Fantasie gesichert.
Selbst in den USA , die immerhin schon 1776 ihre Unabhängigkeit vom Mutterland England, von Europa und der Monarchie erklärten, kennt die Begeisterung bei royalem Staatsbesuch kaum Grenzen. Nirgends war die 1997 tödlich verunglückte Lady Di beliebter, nirgends war Fergie, die Herzogin von York, als Werbebotschafterin für Weight Watchers erfolgreicher. Daheim musste sich die zeitweise übergewichtige Duchess of York hingegen von der Pöbelpresse als Duchess of Pork (»Herzogin Schweinefleisch«) verspotten lassen und hatte als millionenfache Schuldenmacherin einen schlechten Ruf.
In England ist die Begeisterung für Romane rund um Ritter, Könige & Co. nicht so groß wie hierzulande. Dafür ist das Interesse der Bewohner des real existierenden Inselkönigtums an ihren toten Monarchen immens. Regelmäßig strahlen BBC und private Kanäle hinreißende Dokus über die Tudors, die Stuarts und über Queen Victoria aus.
Weniger geschichtlich interessierte Briten ergötzen sich an frischen Skandalen aus der Gerüchteküche des Buckinghampalastes. Selbst (Null-)Nachrichten à la »Prinz Harry schenkt der Queen ein Furzkissen zu Weihnachten« sorgen für Schlagzeilen. Und für Auflage.
Dank Bunte & Co. stranden derlei Nichtigkeiten auch auf den Wartezimmertischen hiesiger Arztpraxen und in den Lesezirkelmappen der Friseursalons, wo nicht wenige dem diskreten Charme der Monarchie erliegen. Schämen muss sich deswegen keiner.
Im Gegenteil: Klatsch aus den besten Kreisen hat eine royale Tradition.
Nach wie vor beliebte Gerüchte, Vermutungen und Verleumdungen über gekrönte Häupter sind so alt wie das Königtum selbst. Mehr noch: Die hässlichsten Enthüllungen über manche Könige und Fürsten stammen aus der Feder von Höflingen, Diplomaten, Kardinälen oder sind direkt den Köpfen adliger Machthaber entsprungen. Um Geschichte zu machen. Skandalberichte aus eigenen Kreisen dienten der Schwächung von Thronkollegen und Rivalen.
Auch der Vatikan
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