Keinmaerchen
Wellenrauschen mehr, keine Strahler. Kein Weiß. Er lächelt.
“Ich wusste es”, sagt sie und lächelt ihn ebenfalls an. “Ich weiß, dass wir den letzten Schritt gemeinsam schaffen können. Wir werden ihn schaffen.” Sie berührt seine Stirn, dann löst sie die Fixierungen an den Armen. Sie sieht ihm dabei in die Augen und sie sieht ihr Spiegelbild in seinen Pupillen.
Schnapp sie dir, sagt er. Schnappischnippischnapp sie dir. Er trägt einen weißen Kittel über der Latzhose. In seinen Ohren steckt ein Stethoskop. Er haucht die Hörmuschel an und beugt sich über sie. Ich will nicht, dass er sie anfasst. Er wird ihr wehtun.
Ich reiße ihm das Stethoskop aus den Ohren und schlinge es um seinen Hals. Ich ziehe es fest zu und er lacht. Lacht mich aus. Dann lacht er nicht mehr.
Nobody said it was easy
Oh, it's such a shame for us to part
Nobody said it was easy
No one ever said it would be so hard
I'm going back to the start
(Coldplay: The Scientist)
Erin, Bozo, der Patient und Blaubeerpfannkuchen
Es war einmal vor langer, langer Zeit, da lebte ein Junge zwischen Laken und Lampen. Seine Eltern waren beide tot. Dessen war er sich sicher, denn er hatte sie sterben sehen. Er hatte gesehen, wie das Leben aus ihren Augen floss und im Teppich versickerte, hatte gesehen, wie ihre Glieder schlaff und ihre schmerzverzerrten Gesichter weich wurden, hatte gehört, wie ein letztes Seufzen aus ihren Lungen wehte, hatte gerochen, gefühlt und geschmeckt. Seitdem wusste er, wie der Tod klingt, wie er aussieht, wie er riecht. Und er wusste, dass er gelbe Latzhosen und viel zu große Schuhe trägt, er wusste, dass er sich in den Schatten verbirgt, wusste, dass er seine Gestalt wechseln kann wie gewöhnliche Leute ihre Hemden. Der Tod hat viele Namen und er ist namenlos. Er schweigt und lärmt, tanzt und singt, spielt Fidel und schlägt die Pauke. Bumm, bumm, bumm. Bummbumm.
Nein. Ich will das nicht hören. Hör auf damit.
Du willst nicht? Willst nicht, willstnicht? Ach was. Ich finde, das ist eine schöne Gutenachtgeschichte. Doch, das ist sie. Er nickt und seine Perücke rutscht ihm in die Stirn.
Meine Hände zittern. Ich verschränke die Finger fest ineinander, bis die Knochen knacken. Ich trage weiße Handschuhe. Schmutzigweiß mit roten Punkten. Der Aktenkoffer steht neben dem Bett, Bozo trommelt mit den Händen auf das schwarze Leder, bumm, bummbumm.
Langweilig, sagt er und wirft die Hände hinter sich auf das Bett. Er springt auf und lässt seine Hosenträger schnalzen. Und? Was machen wir jetzt?
In meinem Kopf knackst etwas. Wie morsche Äste, die unter viel zu großen Schuhen brechen. Und dann ist er verschwunden. Bozo. Bozo, der Clown. Ich starre auf das Messer am Boden. Starre auf meine ineinander gekrallten Hände in meinem Schoß, auf die weißrotgepunkteten Handschuhe, auf die gelbe Latzhose. Ich nehme das Messer in die Hand, wische es an der Hose ab, setzte es an und schneide einen großen Stoffstreifen heraus. Das Zimmer ist voller Wellen, es flimmert und knistert. Ich brauche meine Augenbinde, brauche die Augenbinde, brauche sie.
Die Zimmertüren stehen alle offen. Licht fällt in den Flur auf weißen Fliesen. Rot. Weiß und rot. Ich sehe nichts, die Augenbinde schützt mich. Ich sehe nicht die Körper auf den Betten, die viel zu großen Fußabdrücke, die von Zimmer zu Zimmer führen. Rot. Weiß, rot, weißrot.
Es riecht nach verbranntem Rührei. Bald werden sie kommen, um mich abzuholen. Nein. Das ist morgen. Aber heute ist gestern. Frühstück ist fertig, wird sie gleich rufen und in ihrer Stimme wird mitschwingen, wie sehr sie geschuftet hat, damit alles perfekt ist. Perfektes Haus, perfekte Möbel, perfektes Rührei. Und dann wird sie mich ansehen wie einen Fleck auf der Arbeitsplatte, den sie beim Putzen übersehen hat. Aber das kann ich nicht … Ich muss in den Keller. Ich werde nichts essen.
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Du?, fragt er, als wäre er überrascht, aber ich kann sein unterdrücktes Grinsen hören. Es stinkt nach Tod. Ich weiß wie Tod riecht.
Welcher Tag ist heute?
Er krabbelt an meinen Beinen hoch, huscht über meine Brust und setzt sich auf meine Schulter. Du trägst die Augenbinde, sagt er.
Ja, sage ich. Ja. Es ist gestern. Ich halte das Messer fest in der Hand. Das ist echt. Das fühlt sich gut an. Gib mir ein Stück Holz. Ein großes.
Hol dir dein Scheißholz selber. Wie lange willst du das noch machen? Du wirst nie einen Alb machen, der gut genug ist. Niemals. Du bist ein dummes
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