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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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1
    S amantha sah das Herz heftig schlagen, sah es durch den Brustkorb der jungen Frau hindurch, der das Herz gehörte. Es pochte und zuckte aus Angst, die Frau wusste, was ihr Gegenüber wollte. Sie trug ein schlichtes weißes Kleid, ihr Gesicht war schön und doch merkwürdig fahl, wie von einer unendlichen Traurigkeit durchflossen. Das rote Haar fiel ihr über die Schultern. Die junge Frau wich vor dem Dunkelhaarigen zurück, der unbeirrt seine blasse Hand ausstreckte und auf ihre Brust zuführte. Die Hand machte nicht halt, sondern drang in das Fleisch ein, durchstieß Haut und Sehnen, Knorpel und Knochen, bis die Hand das wild schlagende Herz der Frau erreichte, es umfasste. Der Dunkelhaarige sah sein Opfer an, ein kalter, schwarzer Blick senkte sich in ihre von Todesangst geweiteten Augen. Die Hand packte das Herz und riss es mit einem einzigen Griff aus der Brust. Das lebendige Herz schlug noch in der Hand der dunklen Gestalt, während die Frau das Bewusstsein verlor und tot zu Boden stürzte.
     
    Samantha schreckte aus einem Traum hoch, wie sie noch keinen so abgrundtief hässlichen gehabt hatte. Sie sah sich um. Gottlob, das waren die Wände ihres Zimmers, die im Schein
der Notbeleuchtung grün schimmerten. Sie lag in dem schmalen Metallbett, über dem ein Galgen baumelte, mit einem Kunststoffgriff zum Aufrichten. Der Nachttisch war aus Blech, ebenso die zwanzig weiteren Nachttische, die man in der Ecke gestapelt hatte. Samanthas Koffer lag auf einem Gerät, mit dem man früher Ultraschallmessungen durchgeführt hatte; inzwischen war das Ding längst veraltet. Alles in ihrem Zimmer hatte das Prädikat »ausrangiert«, Apparate mit altmodischen Drehknöpfen und Skalen, an der Decke hing eine parabolförmige OP-Beleuchtung.
    »Nur vorübergehend«, hatte Oberschwester Margret gesagt, als sie Samantha den Raum zeigte. »Nur für ein paar Tage.«
    »Wenigstens ist es umsonst.« Sam war neben ihrer Tante eingetreten. »Das ist in London ein kleines Wunder.«
    »Wird es denn wirklich gehen?« Die Oberschwester hatte sich umgesehen. Diese Geräte hätten seit Jahren entsorgt werden müssen, stattdessen stapelte man sie hier, im dritten Untergeschoss des Chelsea and Westminster Hospital , wo Tante Margret leitende Stationsschwester war. »Man hat mir zugesagt, dass du das erste Zimmer bekommst, das in den Personalunterkünften frei wird.«
    Unbeirrt war Sam eingezogen, denn selbst ein Keller tief unter der Erde bedeutete einen Glücksfall, wenn man in London Fuß fassen wollte. Heute Nacht hatte sie in ihrer ungewöhnlichen Bleibe zum ersten Mal Angst. Eisiger Schweiß stand auf ihrer Stirn, sie sprang aus dem Bett, zwängte sich an dem Dialyse-Apparat vorbei zum Waschbecken und wusch Gesicht und Hals mit kaltem Wasser. Beim Blick in den Spiegel erschrak sie. Selbst im Schimmer der Notbeleuchtung sah man, wie blass sie war, wie übernächtigt; sie hatte Ringe unter den Augen und ihr sonst fülliges Haar wirkte strähnig. Du
musst besser auf dich achten, dachte sie, du lässt dich von der Arbeit zu sehr auslaugen. Sie sprang wieder ins Bett, dass die Blechscharniere knackten, und deckte sich zu. Das Schlimme an ihrem Traum war, dass sie ihn nicht abschütteln konnte, wie man es sonst mit Träumen tat. Ihr war, als sei ein Ruf an sie ergangen, als habe das grauenhafte Schicksal jener Frau mit ihr selbst zu tun, mit Samantha Halbrook, dem siebzehnjährigen Mädchen aus Lower Liargo.

2
    A ls Sam das Chelsea and Westminster Hospital zum ersten Mal betreten hatte, war sie schwer beeindruckt gewesen: das größte Krankenhaus, das jemals für den National Health Service in Großbritannien gebaut worden war. Ein Spital der Superlative! Es lag im Südwesten Londons; das zehnstöckige Gebäude umschloss einen riesigen Innenhof, der angeblich die Größe von 17 Tennisplätzen hatte. Das Atrium war das Zentrum des Hospitals, seine Lunge und sein Auge zum Himmel empor. Hier liefen weiße metallene Stege und Treppen kreuz und quer, in gläsernen Schächten schwebten Lifte empor, in zahllosen Stationen wurden Patienten behandelt. Sams Arbeitsplatz war die Abteilung für Organtransplantation; ihr stand Sir Alexander Kennock vor. Doktor Kennock hatte vor Jahren einem weiblichen Mitglied des Königshauses dessen kaputtes Herz gegen das eines Taxifahrers aus Kuala Lumpur ausgetauscht. Die königliche Hoheit erfreute sich mit dem Herzen des Malaysiers bester Gesundheit, Kennock war dafür mit dem Ritterschlag geehrt worden. Seine

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