Kells Rache: Roman (German Edition)
Teile zusammen, alles sortierte sich. Deshalb also war Graal nach dem Beginn der Invasion in Falanor zu ihrem Palast gezogen. Er wollte sie nicht als Unterpfand gegen den König gefangen nehmen, sondern er wollte sie, weil sie … weil sie seine Geliebte war.
»Sie hat eine Weile gebraucht, bis sie mich lieben konnte«, meinte Graal, trat zu Alloria und küsste sie. Sie erwiderte den Kuss und legte eine Hand auf Graals Wange. »Aber nachdem sie erst einmal mit Blutöl infiziert war, als sie eine Sklavin des Uhrwerks war, als sie Vachine wurde, hat sie sich an ihren neuen Platz gewöhnt, hat sie die Welt mit offenen Augen betrachtet. Sie war ein großartiges Werkzeug, um Vashell hierherzulocken und den Verräter Fiddion zu finden. Doch ich schweife vom Thema ab.« Er bedeutete Alloria, sich neben Myriam zu stellen. Beide Frauen waren von den Blutöl-Bissen verändert worden, der Infektion der Seelenfresser, und beide sahen jetzt fasziniert zu, wie Kradek-ka sich mit seinem kleinen schwarzen Messer in der Hand Saark näherte.
Saark warf einen Blick zu den anderen Thronen. Anukis war tot, auf die Seite gesackt. Jageraw war eine bewegungslose Masse aus blutigem Insektenpanzer, der mit dunklem, menschlichem Fleisch durchsetzt war. Und jetzt … jetzt war er an der Reihe!
»Nein!«, schrie er und begann, sich zu wehren. »Kell! Kell, mach irgendwas!« Aber Kell konnte nichts tun. Ihre Blicke trafen sich, als Kradek-ka sich vorbeugte und Saark mit seinem stählernen Vachinegriff gegen den Granitthron presste. Saark konnte sich nicht rühren. Er war wie paralysiert, nicht nur durch Kradek-kas Griff, sondern auch vor Entsetzen und Schrecken. Sein Blick war auf die Spitze des geschwungenen Messers gerichtet, das sich ihm langsam und unausweichlich näherte. Er dachte zurück, dachte an Alloria und daran, was sie gemeinsam erlebt hatten, dachte an die Liebe, die sie geteilt hatten. Das alles war nur ein Spiel gewesen. Es war vorgetäuscht gewesen. Sie hatte den Auftrag gehabt, die Seelengemme in einen Wirt zu pflanzen, um sie sicher zu verwahren. Er, Saark, war dieser Wirt gewesen und ihre angebliche Liebe nur eine Maske, um ihre wahren Absichten zu verbergen. Alloria war eine Spionin für Graal gewesen, hatte ihren Ehemann und das Volk von Falanor verraten. Hass strömte durch Saarks Adern, als er begriff. Gewiss, vielleicht hatte sie am Anfang nicht bereitwillig mitgemacht, aber was hatte sie angetrieben? Was im Namen der sieben Hexen hatte die Königin von Falanor dazu gebracht, alles zu verraten, was sie liebte? Als das Messer tief in seinen Körper schnitt, keuchte Saark. Eis schien sich in seine Haut zu bohren, seine Knochen mit einem knirschenden, mahlenden Geräusch zu zerteilen. Saarks Blick traf den von Alloria. Sie lächelte ihn an. Keinerlei Trauer lag in ihrem Blick, sie war vollständig Vachine, war nicht länger menschlich. Wut und Hass durchströmten Saark mit aller Macht, aber er konnte sich nicht bewegen. Schmerz durchzuckte ihn, ertränkte seinen Verstand, während das Messer immer tiefer in ihn eindrang, einen Kreis von der Größe einer Faust aus seinem Fleisch schnitt. Er keuchte, keuchte, keuchte, konnte nicht atmen, während er verstümmelt wurde. Aber er kämpfte auch nicht dagegen an, er schrie nicht. Der Schmerz und das Eis waren alles, was er wahrnahm, verzehrten alles, dämpften seine Sehkraft … Dann sah er wie durch einen Schleier aus Blut, wie die Seelengemme aus seinem verstümmelten Körper geschnitten wurde. Er hustete. Blut spritzte aus Saarks Mund, und er hatte das Gefühl, als würde alles, als würde die ganze Welt untergehen und in einem blutroten Becken der Finsternis ertrinken.
Kradek-ka drehte sich schweigend um, während Saark hinter ihm zusammensackte. Blut lief auf den Granitthron und auf das Plateau des Höllspitz. »Nein!«, schrie Kell. Er kämpfte fruchtlos gegen seine Drähte an. Nienna weinte. Kradek-ka reichte die drei Seelengemmen General Graal. Der nahm sie entgegen, die winzigen, mattschwarzen, zylindrischen Juwelen, die Quelle von so viel Qual und Schmerz und Blut und Tod und Macht.
»Jetzt rufen wir den Vrekken«, erklärte er.
Skaringa Dak war riesig, bedrohlich und geheimnisvoll. Der Berg war einst ein Vulkan gewesen, mit einer Million natürlicher Arterien und Kanäle und Tunnel und Adern, ein Vulkan, der jetzt zwar schlief, der aber dem tosenden unterirdischen Strudel, dem Vrekken, Heimstatt bot. Er überblickte Silvatal im Norden, dominierte den Horizont der
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