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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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schrie er laut und rannte aus der Wachstube.
    »Fangt ihn ein!« befahl der Kommandeur seinen Soldaten. »Er darf nicht zum Bej kommen.«
    Aber Selim war ein schneller Läufer. Der Mut der Verzweiflung verlieh ihm Flügel. Die Soldaten konnten seiner nicht habhaft werden.
    Gespenstisch hallten seine Rufe in den Mauern des Palastes wider.
    »Verrat! Verrat! Greift zu den Waffen, ihr Männer! Verteidigt das Leben des Bej!«
    Unter diesen Rufen gelangte er in den inneren Palast, in dem die Hampers schliefen. Die Hampers bildeten den Kern der größeren Leibwache. Sie waren nicht nur auf den Islam, sondern auf den Bej persönlich verschworen.
    Sie fuhren aus dem Schlaf hoch und stürmten in die Gänge. Einer erblickte die Gestalt des jungen Offiziers Selim.
    »Was gibt es, was soll dein Geschrei?«
    Selim berichtete in hastigen Worten, was er wußte.
    Von draußen drang jetzt Waffenlärm und Kriegsgeschrei bis hierher.
    Einer der Hampers zerrte Selim bis in die Privatgemächer der Herrscherfamilie. Vor dem Schlafraum des Bej standen Wachen und kreuzten die Hellebarden. Selim schlug sie auseinander und stürmte hinein. Ohne die üblichen Verbeugungen berichtete er dem Bej die erschreckende Neuigkeit.
    Der fette Tyrann saß auf einem marokkanischen Kissen und zitterte am ganzen Leibe. »Wir müssen uns verteidigen, erhabener Bej! Es herrscht eine Verschwörung zwischen den Revolutionären und Teilen der Polizei. Der Kommandeur sagte, man hätte es auf dein Leben abgesehen.«
    »Auf — auf — auf mei — mein Leben. Warum? — Weshalb? — Das kann doch nicht sein. — Sie können doch nicht... «
    Der Herrscher der Gläubigen von Ifrikija hatte seine Fassung verloren. Mühsam richtete er sich auf und wies mit zitternder Hand auf einen Gong, der den Durchmesser eines großen Wagenrades hatte.
    »Da! Schlag den Gong! Vielleicht kommt jemand zu meiner Verteidigung.« Selim riß den Klöppel von der Wand, faßte ihn mit beiden Händen und schlug wie besessen auf die dröhnende Metallplatte. Wie Kanonenschüsse donnerten die Schläge durch den Palast. Als erster erschien Hammuda Pascha. Selim gab ihm Auskunft über die Vorgänge draußen. Hammuda Paschas dunkle Augen sprühten Feuer. Mit nerviger Faust riß er seinen Säbel aus der Scheide und schrie:
    »Auf, Selim, verteidigen wir uns! Hundert sollen fallen von meiner Hand, bevor sie uns den Garaus machen!«
    Er wollte zur Tür hinaus, fand den Eingang aber durch die hereindrängenden Hampers versperrt. Die rasenden Gongschläge hatten die Leibwache auf die Beine gebracht. Als der Bej seiner Getreuen ansichtig wurde, hob sich sein Mut zusehends. Es sollte den Meuternden und den Aufständischen nicht leicht werden, diese fanatische Leibwache zu besiegen, obwohl sie kaum hundertfünf-zig Mann stark war.
    Hammuda Pascha übernahm sofort den Befehl. »Freunde«, rief er, »Verschwörer und Verräter wollen euch den Herrscher nehmen! Zieht eure Säbel! Sie sollen in ihrem Blut schwimmen, die Hunde, die Allah verderben möge!«
    An der Spitze der Leibwache eilte er dem sich nahenden Lärm entgegen. Im Hauptgang des Palastes stieß er auf Aladins Männer.
    Eine Stimme schlug ihm ans Ohr, die ihn für einen Augenblick auf der Stelle bannte. »Schlagt sie tot! Dort steht der Bastard des Bej, der sich Pascha nennt. Vernichtet die Brut des dicken Fettwanstes!« Die Stimme gehörte — — — Aisad.
    Hammuda Paschas Wut kannte keine Grenzen. Dieser also, der eigene Polizeimeister, dem das ganze Vertrauen seines Vaters gehörte, hatte den Aufstand angezettelt! Die treuen Hampers, die den finsteren Polizeigewaltigen nie leiden mochten, fühlten die Stunde gekommen, ihn unschädlich zu machen.
    Nur noch zwanzig Schritte trennten sie von den Revolutionären. Mit dem Ruf: »Sandschak — Scheriff! [24] Sandschak — Scheriff«, warfen sich die Hampers gegen die Eindringlinge.
    Hin und her tobte der Kampf. Selim und der »Kron-prinz« kämpften wie die Löwen Seite an Seite. Keiner konnte ihren Streichen widerstehen.
    Aber die Masse der Feinde war zu groß. Immer neue kamen. Und da tauchte auch im Hintergrund der verräterische Kommandeur mit der Wache auf. Der dachte gar nicht daran, sich in einen Nahkampf einzulassen. Seine Männer zogen aus den Seitenräumen des Ganges alle Diwane heraus, stellten sie zusammen und bildeten so eine erhöhte Plattform. Sie stiegen hinauf und stellten sich in drei Linien hintereinander auf. Der Wachkommandant befahl: »Erste Linie, Feuer eröffnen!«
    Sie

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