Rolf Torring 121 - Der Rätsel-Gott
1. Kapitel
In Tschung-King, der „Stadt der doppelten Freude"
Am frühen Morgen hatten wir, begleitet von Fräulein Hunter und Tuin Kolo, dem Oberhaupt der ,Grünen Käfer", unsere Jacht erreicht und waren sofort abgefahren. Wir wollten nach Tschung-King, um dem Geheimnis des Rätselgottes nachzuspüren (siehe Band 120: „Der grüne Käfer").
Kapitän Hoffmann hatte sich sehr gefreut, uns wohl und munter wiederzusehen. Jetzt stand er mit zufrieden schmunzelndem Gesicht auf der Brücke. Bis Tschung-King hatten wir etwa dreihundert Kilometer zurückzulegen, und da der Jangtsekiang bis zur „Stadt der doppelten Freude" keine Stromschnellen aufwies, hofften wir, gegen Abend dort einzutreffen.
Stundenlang waren wir schon unterwegs. Tuin Kolo hatte uns eben noch einmal das Buch, das vom Rätselgott handelte, übersetzt. Wir saßen in bequemen Korbstühlen am Heck der Jacht und beratschlagten, was wir zunächst unternehmen sollten.
Die „Grünen Käfer" waren eine Geheimsekte; sie hatten sich die Aufgabe gestellt, das Geheimnis des Rätselgottes zu ergründen. Sie waren der Ansicht, daß er der mächtigste Gott sei. Seit Jahren suchten sie ihn, hatten aber bisher die kleine Gemeinde, die den Rätselgott verehrte, nicht finden können.
Wir waren Mitglieder der Sekte der „Grünen Käfer" geworden, die als Erkennungszeichen Ringe trugen, die ein grüner Käfer schmückte. Tuin Kolo, das Oberhaupt der Sekte, hatte uns gebeten, ihm bei der Suche nach dem Rätselgott zu helfen. Uns interessierte das Sektenwesen im allgemeinen und dieser Fall im besonderen sehr. So hatten wir zugesagt. Zunächst gelang es uns, die „weiße Göttin" zu befreien, die in einem Talkessel, der von Bergen umschlossen war, gefangengehalten und verehrt wurde.
Die „weiße Göttin" war Fräulein Hunter gewesen. Sie war die Tochter eines Forschers, der sich aufgemacht hatte, den Rätselgott zu suchen. Aber er war von seiner Reise nicht zurückgekehrt. Das war vor reichlich zwei Jahren gewesen.
Fräulein Hunter war ausgezogen, den verschollenen Vater zu suchen. Sie kannte die Aufgabe, die er lösen wollte. Auf ihrer Suche war sie in das alte Kloster des „Grünen Käfers" eingedrungen, wo sie ebenfalls mehrere Monate lang gefangengehalten wurde. Es glückte ihr, das Buch zu finden, das das Geheimnis ein wenig klärte.
Mit dem in chinesischer Sprache geschriebenen Buche, das sie nicht lesen konnte, gelang ihr die Flucht aus dem Kloster. Im Gebirge aber wurde sie von einer anderen chinesischen Sekte überfallen und nach dem schon erwähnten Talkessel gebracht, wo man ihr göttliche Ehren erwies, sie aber auch als Gefangene hielt. Wir befreiten sie aus der Gefangenschaft dieser Sekte (siehe Band 120).
Tuin Kolo freute sich sehr, als wir ihm das Buch brachten, nach dem er lange vergeblich gesucht hatte. Leider stand nur darin, wo ungefähr der Rätselgott zu finden sei, nämlich bei Tschung-King. Wir hatten nicht gezaudert und befanden uns auf der Fahrt dorthin.
Professor Kennt, der uns seinerzeit auf die „Grünen Käfer" aufmerksam gemacht hatte, sagte:
„In dem Buche, das uns Mister Kolo soeben übersetzt vorlas, heißt es, daß der Rätselgott in einem großen Gewölbe unter der Erde zu finden ist. Da ich Tschung-King nicht sehr genau kenne, wohl aber Mister Kolo oft da war, könnte er uns vielleicht Auskunft geben, ob es in der Nähe der Stadt alte Klöster gibt. Ich nehme an, daß das unterirdische Gewölbe zu einem solchen alten Kloster gehört."
„Es gibt viele alte Klöster in Tschung-King selbst und in der Umgebung der Stadt. Wie sollen wir aber erfahren, in welchem Kloster der Rätselgott verehrt wird? Wir können ja nicht gut alle Klöster besuchen und darin herum suchen."
„Das brauchen wir meiner Ansicht nach auch nicht, Mister Kolo. Ich nehme an, daß es sich um ein nicht mehr bewohntes, sondern um ein verlassenes Kloster handelt," meinte der Professor. „Gibt es vielleicht Ruinen eines Klosters nahe bei Tschung-King?"
Tuin Kolo dachte einen Augenblick nach, ehe er sagte:
„Ein schon recht verfallenes Kloster, das kein Mensch mehr zu betreten wagt, weil man befürchten muß, daß die Mauern jeden Augenblick einstürzen, kenne ich in der Nähe von Tschung-King, Vielleicht können wir diese Ruine aufsuchen."
„Das werden wir auf jeden Fall tun" rief Rolf, In das Gespräch eingreifend. „Professor Kennt hat
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