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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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der stets einen kühlen Kopf bewahrte, ausgerechnet Seltzer, hatte die Operation genehmigt. Rosenfeldt war sein Freund gewesen, und Seltzer war seinem Herzen gefolgt, nicht dem Verstand. Danach, als der kollektive Blutdurst verflogen war, hatten sich sowohl Shalev als auch Katzenbaum gefragt, ob sie nicht etwas übersehen hatten. Ob die Rache wirklich die Schuldigen getroffen hatte. Eine schlampig ausgeführte Rache noch dazu, die Israel als Mörder von Frauen und Kindern dastehen ließ.
    „Danke, Natalie“, sagte Binyamin Shalev.
    „Fabio ist seither verschwunden“, übernahm Simmenauer. „Es gibt keine Hinweise auf seinen Aufenthaltsort oder darauf, dass er überhaupt noch am Leben sein könnte. Wir haben die Akte geschlossen.“
    „Vorläufig“, murmelte Shalev. Simmenauer warf ihm einen Blick zu, dann sah er Katzenbaum an. Lev hatte das vage Gefühl, dass er in diesem Raum der Einzige war, dem eine wichtige Information entging. „Vorläufig“, wiederholte der kleine Mann, „Und jetzt machen wir sie eben wieder auf.“
    Katzenbaum betrachtete die blaustichige Schwarzweiß-Fotografie, ein Gesicht im Halbprofil, von schräg oben aufgenommen.
    Shalev stellte die Thermoskanne schwungvoll zurück auf den Tisch. „Adi?“, fragte er.
    Simmenauer nickte. „Wie ich schon sagte, hat mich gestern Nacht Andrew Stuart aus Langley angerufen. Einer ihrer Leute hat aufgeschnappt, dass jemand den Maler Nico Delani in einem libanesischen Bergkaff gesehen haben will.“
    Katzenbaum zog die Brauen hoch, sagte aber nichts.
    „Ich habe diesen Augenzeugen bereits überprüfen lassen“, fuhr Simmenauer fort. „Es ist eine Frau namens Azizah Abourjeili, fünfundzwanzig Jahre alt. Sie studiert Kunstgeschichte in Mailand, neuntes Semester, hat gute Noten. Ihre Aufenthaltsgenehmigung läuft für die Dauer des Studiums, sie besitzt einen libanesischen Pass und besucht zweimal im Jahr ihre Eltern. Sie leben in einem Dorf namens Hawqa. Keine Verbindungen zu extremistischen Gruppen. Scheint eine ganz normale intellektuelle Familie zu sein.“
    „Und wie“, fragte Katzenbaum, „kommt sie darauf, Nico Delani gesehen zu haben?“
    „Das versuchen wir noch herauszufinden.“
    „Ein Geist kehrt zurück“, unkte der Vizedirektor.
    „Wir müssen dem auf jeden Fall nachgehen.“ Shalevs Augen funkelten hinter den Brillengläsern. „Vielleicht kriegen wir eine zweite Chance.“
    Zu viele lose Enden, dachte Katzenbaum. Sie hatten zu viele lose Enden zurückgelassen. Die Vorstellung, das alles wieder aufzunehmen und den Fall abzuschließen, vier Jahre später, elektrisierte und beunruhigte ihn zugleich. Und Binyamin musste es ähnlich gehen. Oft hatten sie darüber diskutiert, ob Wüstenwind gerechtfertigt gewesen war. Blutvergießen im Namen der Gerechtigkeit. Fabio kannte die Antworten, musste sie kennen, aber Fabio hatte sich in Luft aufgelöst. „Ein libanesisches Bergkaff, ja?“
    Shalev nickte.
    „Na schön. Was machen wir?“
    „Wir rollen den Fall wieder auf“, sagte Shalev. „Lev, ich will, dass du das übernimmst. Für den Anfang brauchen wir Informationen. Wir werden herausfinden, was genau diese Studentin gesehen hat. In der Zwischenzeit kannst du dich ja mal mit der Topologie von Hawqa vertraut machen.“
    Katzenbaum holte tief Luft, darum bemüht, sich den aufsteigenden Aufruhr in seinem Innern nicht anmerken zu lassen. Abermals starrte er auf die Projektion an der Wand. Kurzgeschnittenes Haar, gerade Nase, markante Wangenknochen, an der Schläfe zwei kleine Leberflecke – ein Gesicht wie tausend andere. Noch dazu in einem Winkel aufgenommen, der kaum für ein Fahndungsfoto taugte. Es war das einzige Bild, das sie von Fabio hatten. Und von Nico Delani, dem Maler, existierte ebenfalls keine einzige Aufnahme, obwohl zig Kunstmagazine seine Gemälde abgedruckt hatten. Er ist exzentrisch, er möchte nicht fotografiert we r den .
    Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf.

3
     
    A
    m schönsten war der Wadi Qadisha in den frühen Morgenstunden, wenn die Nacht einer dunkelblauen Dämmerung wich und die Sonne hinter den Bergen aufstieg. Um diese Zeit war es kühl, der Wind angenehm und auf den Gräsern sammelte sich Tau.
    Nikolaj hatte es sich angewöhnt, in den Sommermonaten lange vor Sonnenaufgang aufzustehen. Draußen war es dunkel, während er Tee aufbrühte und in bequeme Kleidung schlüpfte, um seine tägliche Laufstrecke zu absolvieren. Hinter dem Haus begann ein Ziegenpfad, der früher als Auftrieb zu den

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