Kill Order
selbst vor fast dreißig Jahren vom Dienst rekrutiert worden war. „Ich habe heute einen Anruf aus Langley bekommen. Die Amerikaner haben eine interessante Information aufgefangen.“ Shalev warf Natalie einen Blick zu. „Sind Sie soweit?“
Natalie schaltete auf die erste Folie, das Bild eines Mannes. Katzenbaum holte scharf Luft. Er fing einen Blick Simmenauers auf, ein schiefes Grinsen.
„Die Akte Fabio“, murmelte Simmenauer. „Dass ich das noch erleben darf.“
Katzenbaum betrachtete wieder die streifige Schwarzweiß-Fotografie an der Wand, die aus einer Überwachungskamera des Flughafens Tegel in Berlin stammte. Fabio.
Die Akte war geschlossen, die Operation für gescheitert erklärt. Es war der Anfang vom Ende der Karriere des Ephraim Seltzer gewesen, des Mannes, der 2001 an der Spitze des Mossad gestanden und Gerüchten zufolge den vollen Zorn des neu eingesetzten Premierministers zu spüren bekommen hatte. Ein unvermeidliches Opfer, hatte Shalev Seltzers Sturz genannt. Sowohl er als auch Katzenbaum waren von Anfang an involviert gewesen.
Natalie wechselte die Folie. „Am fünfundzwanzigsten Januar 2001 wurde der US-Senator Jonas Levi Rosenfeldt erschossen, unmittelbar vor seiner Rede zur Eröffnung des Jüdischen Museums in Berlin.“ Ihre Stimme verriet keinerlei Emotion. „Der Killer entkam, obwohl es in der Gegend um das Museum von Sicherheitsbeamten wimmelte. Wir konnten das nie beweisen, aber Indizien deuteten darauf hin, dass das Attentat von der PLO vorbereitet und bezahlt wurde. Sie engagierten einen Killer, den die CIA in ihren Akten unter dem Namen Fabio führt. Unsere amerikanischen Freunde haben lange Zeit vergeblich versucht, ihm auf die Spur zu kommen.“
Bis ein drittklassiger Romeo-Agent mit mehr Glück als Verstand seine Tarnung aufdeckte, dachte Katzenbaum. Das hatte nichts mit fundierter Geheimdienstarbeit zu tun gehabt, das war reiner Zufall gewesen, obwohl die Amerikaner das gern anders verkauften.
„Einen Tag nach dem Attentat sollte in der Berliner Galerie Neuhoff eine Ausstellung des belgischen Malers Nico Delani eröffnet werden. Delani hat sich zwischen 1997 und 2001 als erfolgreicher Nachwuchsstar in der europäischen Kunstszene etabliert. Die Vernissage fand zwar statt, aber ohne den Künstler.“ Sie machte eine Pause. „Die Amerikaner glauben, dass dieser Maler und Fabio ein und dieselbe Person sind. Sie haben natürlich keine Beweise. Der Romeo-Agent, der Fabio angeblich enttarnte, wurde erschossen. Tatsache ist aber, dass seit dem Verschwinden von Fabio auch Delani verschollen ist.“ Sie studierte ihre Unterlagen. „Wir haben in dieser Angelegenheit mit CIA und Interpol zusammengearbeitet. In den Wochen nach dem Attentat gelang es uns noch drei Mal, seine Spur zu finden.“ Sie hob einen Bleistift und stach damit in die Luft.
„In München, am achtundzwanzigsten Januar, gab es eine Schießerei am Ostbahnhof, drei Tote. Wir haben Hinweise, dass unser Mann darin verwickelt war. Dann, vier Tage später in Reims, einhundertfünfzig Kilometer entfernt von Paris. Wir hätten ihn beinahe gestellt, aber er entdeckte das Überwachungsteam und flüchtete, bevor unsere Leute zuschlagen konnten. Die letzte Meldung stammt aus Auritz, einem Dorf zehn Kilometer hinter der französisch-spanischen Grenze. Danach verlor sich seine Spur.“ Natalie legte den Bleistift zurück auf den Tisch.
Er hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst. Damals war Katzenbaum wütend gewesen über den Fehlschlag der Operation. Es war ein erschreckend symptomatisches Indiz für den schleichenden Verfall, der den Dienst heimsuchte.
Mein Gott, sie waren einmal die Besten gewesen. Doch etwas war dran an den Gerüchten, dass die goldene Ära des Mossad vorüber war. In den letzten Jahren waren ihnen peinliche Fehler unterlaufen, die dem Ansehen der Israelis auch bei befreundeten Geheimdiensten schwer geschadet hatten. Die Fabio-Affäre passte gut ins Bild. Gelegentlich war ihm der Gedanke gekommen, dass es besser gewesen wäre, wenn Fabios Verschwinden einen Schlusspunkt unter die ganze Angelegenheit gesetzt hätte. Besser für den Dienst, besser für die Sache Israel. Doch die Gemüter waren erhitzt. Rache für Rosenfeldt, lautete der Befehl der Stunde. Der Killer war verschwunden, sie würden ihn nicht mehr nach seinen Auftraggebern fragen können. Aber die Indizien wogen auch so schwer genug, um grünes Licht für die Operation ‚Wüstenwind’ zu bekommen.
Efraim Seltzer, der Analytiker,
Weitere Kostenlose Bücher