KillerHure
von Antonia. Damals zählte ich noch mit, deshalb weiß ich das so genau. Bei ihm schlüpfte ich wieder in meine alte Rolle als Nutte, um in sein schwer bewachtes Hotelzimmer in Straßburg zu kommen. Er war ein hohes Tier bei der französischen Mafia, das las ich danach in der Zeitung. Ursprünglich wollte ich ihn mit dem Schalldämpfer erledigen, sobald wir im Zimmer waren und ich die vorher deponierte Waffe aus dem Versteck geholt hatte. Aber mit dem Wissen, dass ich ihn bald töten würde, da fand ich seine ersten Annäherungen unvermutet reizvoll. Also ließ ich zu, dass er mich fickte, und war selbst am meisten überrascht, dass ich mich ihm völlig hingeben konnte, bis hin zu einem grandiosen Höhepunkt.
Seitdem ist mir klar, dass ich Sex nur mit Männern genießen kann, die völlig in meiner Hand sind und die gleich darauf von dieser meiner Hand sterben werden. Alle anderen Situationen lassen mich absolut kalt, oder schlimmer: wecken böse Erinnerungen. Ich bin also in gewisser Weise von meinem Beruf abhängig.
Jaja, ziemlich krank, ich weiß. Aber ich habe nicht darum gebeten, so zu sein. Ich bin nur das Produkt meiner Umgebung, wie es in diesen aufgeblasenen Psycho-Selbsthilfe-Ratgebern immer steht. Also bin ich quasi unschuldig, oder?!?
Und, hey, ich finde meinen Beruf nicht so übel. Interessante Menschen, herausfordernde Aufgaben, gute Bezahlung. Was kann man mehr von seinem Job erwarten???
Kapitel 4
Sonntag, 17.08.08, 20:45 Uhr
Vor dem »Hotel Metropole Brussels« ziehe ich mein Handy – ein noch unbenutztes Prepaid aus einer verlässlichen Quelle – und rufe John in London an.
»Hallo John, tut mir leid, dass ich so spät noch störe. Aber ich muss bis morgen meine Arbeit ausdrucken und der Treiber spinnt wieder! – Ah – Meinst du? – Okay, dann mach ich das mal ... – Ja, scheint zu funktionieren! Jetzt druckt er. Super, ganz lieben Dank! Äh – bist du heute Abend da, falls er noch mal ausfällt? Darf ich dich dann anrufen? Danke, du bist ein Schatz! Ich wünsche dir noch einen schönen Abend, mach’s gut!«
John ist ein Kommilitone, so ein Computerfreak, und außerdem ein wichtiger Teil meines Alibis. Das Handy läuft über eine kleine Digitalschaltung, die ich ganz legal per Internet in einem Elektronikshop in Israel gekauft habe. Der Anruf an John geht so anscheinend von meiner Londoner Wohnung über mein Festnetz-Telefon nach draußen. Die Verbindungsaufstellungen auf der Telefonrechung weisen zweifelsfrei meine Anwesenheit nach. Und die Protokolle über die Internet-Verbindungen mit regelmäßigen Tastendrücken, die gerade erstellt werden – ein kleines Programm, das ich selbst geschrieben habe – beweisen vollends, dass ich an diesem Abend in meiner Bude verschanzt an meiner Arbeit getippt habe. Titel: »Bildung und Zerfall von paramilitärischen Gruppen in Zentralafrika am Beispiel der APLA, Uganda. Ein lebenszyklustheoretischer Ansatz.« Inzwischen kenne ich mich so gut mit diesem akademischen Mist aus, dass ich vermutlich noch promovieren muss. Hm, das ist eine schöne Vorstellung: »Darf ich Ihnen meine Visitenkarte überreichen: Dr. Jana Walker. Profi-Killerin«. Dabei habe ich nicht mal das Abitur. Die Urkunde ist eine Fälschung, genau wie mein Pass.
Ich betrete die Hotellobby. Alles glänzt hier, Kronleuchter, teure Edelhölzer, Stuck, Messing und Gold in Hülle und Fülle. Das »Metropole« ist das einzige Luxushotel aus dem 19. Jahrhundert, das es im Brüsseler Zentrum immer noch gibt und die Einrichtung lässt nichts unversucht, einem dies ständig unter die Nase zu reiben.
Mein Weg führt möglichst weit weg von der Rezeption, hinein in die verwinkelten Gänge und Räume des Tagungsflügels. Trotzdem folgen mir etliche Augenpaare, als ich in meinem duftigen, weißen Kleid vorüberschwebe, eine elfenhafte Gestalt mit wehenden dunkelbraunen Haaren. Auch dies ist ein Teil der Tarnung.
Zwei Wochen zuvor hatte ich bereits ein anderes Telefonat geführt, ebenfalls auf Niederländisch. Oder Flämisch, wie die Belgier hier dazu sagen.
»Spreche ich mit Denise? Hier ist Anne Spreuw, Privatsekretariat von Mijnheer van Brueggen. Ich würde Sie gern im Auftrag meines Chefs buchen. Für Sonntag, den siebzehnten August, ab dreiundzwanzig Uhr im ›Metropole‹. Wäre das möglich, sind Sie noch frei? Ah, das ist schön! Mein Chef möchte, dass Sie in einem schlichten, weißen Kleid mit Spaghettiträgern kommen, mit weißer Handtasche. Falls Sie nichts Passendes haben, dann
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