Kinder des Mars
einem Familienbesuch zum Feiern. Paul freute sich auf das reichhaltige Katerfrühstück, das seine Mutter für ihn machen würde, und er wusste, dass er sich auf Luke als Fahrer verlassen konnte.
»Bleibt er deswegen heute daheim? Ich dachte, er käme direkt vom Krankenhaus rüber.« Luke hatte am Morgen beim joggen erzählt, er habe tagsüber regulären Dienst und anschließend sechsunddreißig Stunden frei, bis Freitagmorgen.
»Ja, so war es geplant, könnte nur etwas später werden. Er ist erst nochmal nach Hause. Du weißt, wie penibel er ist. Ich wette, er faltet seine Unterhosen nochmal neu, bevor er sie in den Koffer legt.«
Jack grinste. Wie Paul packte, war ihm bekannt. Koffer auf, alles rein werfen, und wenn nötig mit Gewalt schließen. »Ihr könnt doch morgen noch packen. Lynn ist einen Katzensprung entfernt.«
»Luke will schon früh fahren, damit er noch vor dem Mittagessen eine Runde an der Atlantikküste joggen kann. Er meint, das sei schon was anderes als der Charles River hier.« Paul rollte mit den Augen. »Und dann will er natürlich helfen. Mir ist das egal. Ich muss nur aufwachen, um ins Auto ein- und auszusteigen und Moms Omelett mit Speck und Würstchen zu essen.«
»Omelett mit Speck und Würstchen? Woher weißt du denn heute schon, was es morgen gibt?«
Jack kannte Pauls Mutter fast so lange wie er Paul kannte und wusste aus Erfahrung, dass sie sehr gut und sehr abwechslungsreich kochte. Mrs. Johnston kam des öfteren nach Boston gefahren, um den Kühlschrank ihres Sohnes mit vorbereiteten Gerichten zu füllen, die er nur noch in die Mikrowelle schieben musste. Paul setzte nicht allein aus Mangel an Bewegung einen Rettungsring an.
»Ich habe vorbestellt«, grinste er. »Ich habe Mom angerufen und ihr gesagt, dass ich zu einem späten Frühstück da sein werde. Danach hau ich mich wieder aufs Ohr, während Luke sich als Küchenjunge betätigt.«
»Amy?«
»Amy.«
Amy war Lukes Freundin seit der Highschool. An Thanksgiving kochten sie zusammen, jedes Jahr abwechselnd einmal bei ihrer, einmal bei seiner Familie.
»Wer ist dieses Jahr dran?«
»Wir. Ich hoffe, es wird nicht zu gesund.« Paul verzog das Gesicht. Amy und Luke waren Vegetarier.
»Du könntest selbst kochen«, warf Jack ein.
»Das sagt der Richtige. Du brauchst nichts tun und bekommst trotzdem immer Fleisch.«
»Mein Vater mag es, den Truthahn zuzubereiten. Es ist das einzige Gericht, das er selbst kocht. Und so ziemlich das einzige Fest, das wir noch traditionell feiern.«
»Bei dir klingt das wie etwas Schlechtes. Ich würde sofort mit dir tauschen. Weihnachten auf den Bahamas und Hawaii statt zu Hause vorm Kamin, echt super!«
Seit dem Tod von Jacks Mutter Ginger hatte sein Vater George sich nicht mehr bei der Familie seiner verstorbenen Frau blicken lassen. Zu Weihnachten lud er Jack und Ella auf Urlaub unter Palmen ein. Weit weg und warm sollte es sein.
»Dad kann die Erinnerung an weiße Weihnachten mit Mom nicht ertragen. Und ich will mich gar nicht beschweren. Ich frage mich nur, ob das auf Dauer eine Lösung ist. Dieses Jahr fliegen wir in die Karibik.«
Paul pfiff durch die Zähne.
»Das ist toll, sicher. Nur ist es das fünfte Weihnachtsfest in Folge, an dem wir flüchten. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir vor etwas davon laufen.«
»Mann, was erwartest du denn? Du sagst selbst, deine Mutter war für deinen Vater die Liebe seines Lebens. Lass ihn am Fest der Liebe wegfahren. Was soll er sonst tun? Und du und Ella, ihr geht freiwillig mit. Er lädt euch ein, er zwingt euch nicht. Ich habe dir schon tausendmal gesagt, du kannst Weihnachten gern bei uns feiern. Ella darf auch mitkommen. Oder fahrt zu ihrer Familie. Aber das wollt ihr nicht.«
»Nein. Du hast Recht. Wir sind großartig im Weglaufen«, gestand Jack.
»Sei nicht so streng mit euch. Ein Urlaub in der Sonne hat noch niemandem geschadet. Andere lecken sich die Finger danach. Außerdem ist das inzwischen schon so etwas wie eine neue Tradition.«
»Stimmt.«
»Nur eines solltest du dir echt abgewöhnen.«
Jack zog eine Augenbraue hoch. »Was?«
»Jedes Jahr vor Thanksgiving eine weitere Freundin abzuservieren. Obwohl, wenn es nach den Maya geht, wirst du sowieso nie wieder dazu Gelegenheit haben.«
»Fängst du schon wieder mit deinen Verschwörungstheorien an?«
»Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern hat etwas mit der Religion und der Zeitrechnung der Maya zu tun. Ella...«
»...studiert Kulturwissenschaften, glaubt
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