Kinder des Wassermanns
überleben, aber wahrscheinlich in der Hölle. Wer von uns dreien ist am glücklichsten?«
Immer noch voller Zorn, aber ein wenig ruhiger geworden, lehnt Tauno seine Waffe an die Wand und setzte sich auf die Schlafplattform. Der Strohsack raschelte unter ihm. Das Torffeuer prasselte und ließ blaue und gelbe Flämmchen tanzen. Sein Rauch wäre, wenn weniger dick, angenehm gewesen. Schatten duckten sich in den Ecken und unter dem Dach und kamen hervorgesprungen, Mißgestalten auf den Bretterwänden. Die Kälte und Feuchtigkeit machten ihm nichts aus, obwohl er unbekleidet war. Ingeborg, die inmitten des Raums stehengeblieben war, erschauerte.
Er spähte durch die Dunkelheit zu ihr hinüber. »Soviel weiß ich«, sagte er. »Im Dorf ist ein junger Bursche, von dem sie hoffen, sie könnten einen Priester aus ihm machen. Er erzählte meiner Schwester Eyjan davon, als sie ihn allein antraf.« Sein Lachen rasselte. »Sie sagt, es sei nicht unangenehm, bei ihm zu liegen, abgesehen davon, daß er von frischer Luft Niesanfälle bekommt.« Sofort wurde er wieder ernst. »Das ist nun einmal die Art, wie die Welt schwimmt, und wir können nichts tun, als uns aus dem Weg zu halten. Und trotzdem ... gestern abend machten Kennin und ich uns auf die Suche nach Yria, weil wir uns überzeugen wollten, daß sie nicht mißhandelt wird. Puh, der Dreck und Schmutz in den Gräben, die ihr Straßen nennt! Hinauf und hinunter gingen wir, zu jedem Haus, ja sogar zur Kirche und zum Friedhof. Wir hatten sie von fern nicht erblicken können, weißt du, tagelang schon nicht mehr. Und wir hätten es gewußt, wenn sie im Inneren von etwas gewesen wäre, ob in einer Hütte oder einem Sarg. Sie mag jetzt sterblich sein, unsere kleine Yria, aber ihr Körper ist immer noch zur Hälfte der ihres Vaters, und in jener letzten Nacht am Strand merkten wir nichts davon, daß er seinen Geruch wie vom Tageslicht beschienene Wellen verloren habe.« Er schlug mit der Faust aufs Knie. »Kennin und Eyjan waren außer sich. Sie wollten ins Dorf stürmen und ihre Fragen mit vorgehaltener Harpune stellen. Ich sagte ihnen, wir würden nur unser eigenes Leben aufs Spiel setzen, und wie könnten lote Yria helfen? Doch hart war es, bis zum Sonnenuntergang zu warten, wo du, Ingeborg, hier sein würdest, wie ich wußte.«
Sie setzte sich neben ihn, einen Arm um seine Mitte, eine Hand auf reinen Schenkel, die Wange an seine Schulter gelegt. »Ich weiß, wo sie ist«, sagte sie ganz leise.
Er blieb steif ablehnend. »Nun? Was ist also geschehen?«
»Der Profos hat sie mit sich in die Stadt Viborg genommen – Warte doch! Er hat ja nichts Böses mit ihr vor. Wie könnten sie es wagen, einem Gefäß der göttlichen Gnade etwas anzutun?« Ingeborg sprach ho Ton eines Menschen, der eine Tatsache berichtet, und danach höhnte sie: »Du bist vor die richtige Schmiede gekommen, Tauno. Der Profos hatte einen Schreiber bei sich, und der war hier, und ich fragte Ihn, ob sie schon einen Plan hätten, wie sie unser Wunder füttern wollten. Die Leute in Alsen sind nicht unfreundlich, sagte ich zu ihm, aber seich sind sie auch nicht. Sie hat kein Garn aus der Unterwasserwelt mehr, das sie zu ihrem Vergnügen spinnen kann. Wer will ein Mädchen haben, das wie ein Kind alles von neuem lernen muß? Wer nimmt eine Pflegetochter an, für deren Mitgift er aufzukommen hat? Oh, es würde sich schon etwas finden – die niedrige Arbeit, die die Armen tun müssen, eine Heirat mit einem Matrosen auf einem kleinen Fischerboot oder das Leben, das ich für mich erwählt habe – aber wäre das das richtige für ein Wunder? Der Kleriker antwortete mir: »Nein, so etwas sei auch gar nicht beabsichtigt. Sie würden sie mit sich nehmen und sie in das Asmild-Kloster in der Nähe von Viborg stecken.«
»Was ist das?« wollte Tauno wissen.
Ingeborg tat ihr Bestes, es ihm zu erklären. Sie schloß: »Sie werden Margrete ein Dach über dem Kopf geben und sie unterrichten. Wenn Nie das richtige Alter erreicht hat, wird sie die Gelübde ablegen. Dann wird sie dort in Reinheit und zweifellos weit und breit verehrt leben, bis sie stirbt, was bestimmt im Geruch der Heiligkeit erfolgen wird. Das heißt, wenn man glaubt, daß der Leichnam einer Heiligen nicht stinken wird wie deiner und meiner.«
»Das ist ja grauenhaft!« rief Tauno entsetzt aus.
»Wieso? Viele würden es ein unerhörtes Glück nennen.« Er durchbohrte sie mit seinen Blicken. »Du auch?«
»Hm ... nein.«
»Bis an ihr Lebensende zwischen
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