Kindersucher - Kriminalroman
Dienstmarke, wenn auch etwas spät.
»Ein Polizist?« Braunschweig wich zurück, als wäre er von einem Schwefelhauch getroffen worden. »Wie können Sie mich so täuschen? Sie tun, als wären Sie hier, weil Sie spirituelle Anleitung suchen! Und dabei sind Sie nicht einmal ein Christ.« Seine Gesichtsfarbe normalisierte sich wieder, dann röteten sich seine Wangen sogar. »Als Sie hereingekommen sind, dachte ich, was will dieser Jude hier? Jetzt verstehe ich. Eine ausgesprochen hinterhältige Art und Weise, eine Ermittlung durchzuführen, das muss ich schon sagen.« Er zog die grauen Brauen vor Empörung zusammen. »Aber vielleicht muss man das ja von Ihresgleichen erwarten.«
»Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, dass es gegen das Gesetz verstößt, Informationen vor der Kriminalpolizei zurückzuhalten. Außer natürlich bei Geistlichen. Deshalb kann ich Ihnen nicht befehlen, zu reden. Und ich werde auch nicht versuchen, Ihre Vorstellungen zu berichtigen, was man von mir oder ›meinesgleichen‹ erwarten kann. Aber ich versichere Ihnen, dass in dieser Stadt kleine Jungen ermordet werden, Herr Pastor. Und dass ein ausgesprochen perverses Individuum ...«
»Verschwinden Sie!« Braunschweig spie die Worte fast aus.
Kraus nahm seinen Hut. »Also gut.« Er zuckte mit den Schultern. »Danke für den Schnaps.«
Als er die Tür erreichte, änderte Braunschweig plötzlich seine Meinung. Und seinen Tonfall.
»Ach, um Himmels willen ... Ich habe das nicht so gemeint, Herr Kriminalsekretär.«
Kraus machte eine Pause.
»Sie haben mich nur überrumpelt, das ist alles. Sie sollten niemanden so überraschen. Bleiben Sie noch auf einen Schnaps, Herr Wachtmeister. Setzen Sie sich.«
Kraus merkte, dass der Mann etwas auf dem Herzen hatte.
Der Pastor trank rasch einen weiteren Schnaps, dann noch einen.
»Ich kenne ganz bestimmt niemand, der zu etwas so Grauenvollem fähig wäre, wie Sie es mir gerade beschrieben haben, aber ich kann Ihnen etwas anderes sagen.« Er sah Kraus an, hustete, und seine Augen waren trübe, aber er war ganz offensichtlich scharf darauf, sich etwas von der Seele zu reden. »In jeder Glaubensgemeinschaft gibt es Verrückte. Und ich habe im Laufe der Jahre genug davon gesehen, das können Sie mir glauben.« Er warf einen Blick aus dem Fenster, als wären all diese Verrückten wieder da und hätten sich draußen vor dem Fenster aufgestellt. »Normalerweise achte ich nicht mehr darauf, wenn sie erst einmal verschwunden sind, aber in diesem Fall ...« Er drehte sich zu Kraus herum. »Etliche meiner Schäfchen haben sich einer Gemeinschaft angeschlossen, die direkt einem dieser überzogenen Romane entsprungen zu sein scheint, nur ist dem nicht so. Es ist alles viel zu real.« Seine buschigen Augenbrauen hoben sich dramatisch. »Es ist ein satanischer Liebeskult. Ja wirklich, das stimmt!« Er beugte sich vor. »Man hat mir geschildert, was dort alles passiert.« Er musste sich am Tisch festhalten. »Mit Kindern!« Seine Worte wurden immer undeutlicher.
Braunschweig versuchte, seinen blutunterlaufenen Blick auf Kraus zu richten, hatte jedoch Schwierigkeiten, ihn zu fixieren. »Ihr Anführer ist schrecklich charismatisch, eine sehr verdorbene Gestalt ... ein früheres Gemeindemitglied, und dazu ein ziemlich wichtiges, wie ich beschämenderweise zugeben muss.«
In einem unsicheren Gemisch aus Dankbarkeit und Entsetzen schob Kraus eine Hand in seine Brusttasche. War das alles nur das Geschwafel eines Betrunkenen? Es klang so. Andererseits ... er zog sein Notizbuch hervor. »Sprechen Sie weiter, Herr Pastor. Sie haben keine Ahnung, wie sehr ich das zu schätzen weiß. Wie heißt er?«
»Es ist kein Er, Kraus. Es ist meine frühere Frau, Helga Braunschweig.«
SECHS
Vicki steckte ihren Kopf ins Badezimmer. »Das Wurstverbot ist aufgehoben.«
Kraus stand unter der rauschenden Dusche und war sich nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. »Was?«
»Wurst ... Sie wird wieder verkauft!«
Er riss die Augen so weit auf, dass ihm Shampoo hineinlief. Er spülte sie hastig aus. »Bist du sicher?«
»Es kam gerade im Radio. Sie haben die Bakterien gefunden. Lässt du mir noch etwas heißes Wasser übrig, Liebling?«
Wäre ja nett gewesen, wenn ihn jemand vorab informiert hätte. Kraus drehte die Dusche zu.
Beim Frühstück sah Erich ihn mit seinen großen, braunen Augen über den Toast hinweg an.
»Vati, ich habe mich entschieden.«
»Hast du das?«
»Ja. Ich weiß jetzt, was ich zu Hanukkah haben
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