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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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Verlauf der Straße folgte.
    Kraus’ Hals versteifte sich leicht. Ein langer, schwarzer Sportwagen fegte wie ein Raumschiff durch den Verkehr vor dem Café, schnitt Personen- und Lastwagen gleichermaßen.Vielleicht hätte es ihn nicht überraschen sollen. Denn so groß diese Stadt auch sein mochte, in mancherlei Hinsicht war sie trotzdem eine Kleinstadt, und es gab nicht viele Mercedes SSK auf den Straßen. Trotzdem zuckte er unwillkürlich zusammen, als er die unverkennbare Spiegelung von Dr. von Hesslers silberner Augenklappe hinter dem Lenkrad erkannte.
    »Du wirkst, als hättest du den Teufel gesehen.«
    Kraus zuckte zusammen.
    Es war Fritz, der sich endlich ihm gegenüber hinsetzte. Er trug einen Dreiteiler, hielt einen Gehstock in der Hand, und sein dünner, blonder Schnurrbart kräuselte sich in einem spöttischen Lächeln.
    »Vielleicht habe ich das auch. Du bist vierzig Minuten zu spät, Mensch!«
    »Dieser Verkehr ist einfach grauenvoll.«
    »Dein guter alter Freund jedenfalls konnte sich problemlos den Weg hindurchbahnen. Was hat er eigentlich im Krieg gemacht, hat er Panzer gefahren?«
    »Welcher gute alte Freund?« Fritz versank in dem Sessel und zog sich die Handschuhe aus, einen Finger nach dem anderen. »Ich habe so viele davon.«
    »Von Hessler.«
    »Ach, der ist völlig verrückt. War immer schon so. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er davon überzeugt, dass er endlich einen Weg gefunden hatte, den Lauf der menschlichen Geschichte zu verändern. In gewisser Weise hoffe ich, dass er wirklich an so einer Sache dran ist.« Fritz warf die Handschuhe auf den Tisch. »Wir könnten es gut gebrauchen.«
    »Was soll das denn heißen? Hey ... bevor ich es vergesse, ich wurde instruiert, dich auf jeden Fall daran zu erinnern: Vicki bedauert die Geschichte mit Silvester wirklich. Wir bringen die Kinder immer in dieser Nacht zu ihren Eltern und, na ja ...«
    Fritz lächelte bedauernd. »Sylvie wird am Boden zerstörtsein, aber sie kommt bestimmt darüber hinweg. Immerhin ist es kein gewöhnliches Silvester.« Seine Lippen zuckten. »Es bricht ein neues Jahrzehnt an. Und nach dem, was ich so höre«, sein Schnurrbart zuckte heftig, »dürften es sehr wahrscheinlich für eine ganze Weile die letzten fröhlichen Tage sein.«
    »Was sollen all die Blitze des Untergangs bedeuten, Jeremias?«
    »Entschuldige. Ich komme gerade von einer großen Pressekonferenz im Wirtschaftsministerium. Die Lage ist verdammt ernst. Eine ganze Reihe wichtiger Auslandsanleihen wurden gekündigt.«
    Kraus wartete auf weitere Enthüllungen, aber Fritz schwieg.
    Er verstand nicht.
    Das lag nicht etwa daran, dass er kein Genie war, was die Mechanismen der Wirtschaft anging. Aber das Jahr 1929 war ein Jahr derartig spektakulären Wachstums gewesen, einer fast schon euphorischen Hochkonjunktur, dass es nahezu unmöglich zu begreifen war, wie etwas so Geheimnisvolles wie Auslandsanleihen diesen Ausdruck tiefster Sorge in Fritz’ Augen herbeiführen konnte. Nach den wahrlich schrecklichen Jahren des Krieges, der Revolution und der großen Inflation war dieses letzte halbe Jahrzehnt förmlich ein Gottesgeschenk gewesen. Die Wirtschaft boomte. Die Gehälter schossen in den Himmel. Die Arbeitslosigkeit war praktisch auf null gesunken. Sicher, was sie über den Aktienmarkt in New York gelesen hatten, war schrecklich. Die Tage des wahnsinnigen Spekulierens waren offensichtlich zu Ende. Aber es war schwer zu glauben, dass ein paar Auslandsanleihen ...
    »Da liegst du ziemlich falsch.« Fritz’ düstere Stimmung war unerbittlich. »Deutschland ist so abhängig von Fremdkapital wie ein Drogenabhängiger, Willi. Genauer gesagt, von amerikanischem Kapital. Und zwar weit mehr, als die meisten Deutschen auch nur ahnen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie vielGeld da gerade vernichtet worden ist. Das hier ist kein ganz gewöhnlicher Kollaps. Sondern der Boden hat nachgegeben. Was bedeutet, keine weiteren Investitionen. Keine weiteren Kredite. Keine weiteren Warenbestellungen. Mach dich auf etwas gefasst, mein Freund. Das hier wird ein ausgewachsener Erdrutsch.«
    Kraus hielt sich an der Stange auf der Plattform fest, als die Straßenbahn über die belebte Leipziger Straße schwankte. Mittlerweile herrschte Zwielicht, und die Feiertagsbeleuchtung tauchte Berlins Einkaufsmeile in einen goldenen Schimmer. Angesichts der Menschenmassen, welche die Trottoirs überströmten, sich in den Geschäften und Kaufhäusern die Klinke in die Hand gaben,

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