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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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dort wäre das reinste Schlachthaus. Die Sache ist wichtig, Braunschweig. Menschenleben hängen davon ab, um Gottes willen.«
    »Halten Sie mir keine Predigt über Gott. Ich bin derjenige, der hier Predigten hält. Unser Thema heute wird sein ... Ach, seien Sie nicht beleidigt, Kraus. Bleiben Sie und trinken Sie ein Schlückchen.« Der Pfarrer hob anklagend die Arme. »Sagen Sie mir nur, wieso liebt sie mich nicht mehr?«
    »Die Hirtin, Braunschweig. Es geht um die Hirtin.«
    Braunschweig hatte jedoch das Bewusstsein verloren. Kraus sah sich verzweifelt um. Schmutziges Geschirr, offene Konservendosen. Flaschen und Gläser überall. Völlige Verderbtheit. Er konnte es einfach nicht fassen.
    »Verdammt, sagen Sie mir wenigstens, wie ich Ihre Exfrau finden kann!«, schrie Kraus das gerötete Gesicht an.
    Offenbar war dies das Zauberwort, denn aus den Tiefen seines Rausches antwortete Braunschweig. »Morgengrauen, Kraus. Hab wohl vergessen, es zu erwähnen. Deshalb haben Sie sie nie angetroffen. Gehen Sie vor Tagesanbruch dorthin, dienstags und freitags. Und sagen Sie an der Tür ...«
    Der Pfarrer drohte, erneut ohnmächtig zu werden, doch dann gelang es ihm, die seltsamsten Worte auszustoßen, die Kraus jemals gehört hatte: »Yasna Haptanghaiti.«
    Das war alles. Braunschweig war bewusstlos.
    Yasna Haptanghaiti?

ZWÖLF
    »Yasna Haptanghaiti«, sagte Kraus an der Tür und hoffte inständig, dass er es richtig ausgesprochen hatte.
    »Mazdaznan.« Der schnurrbärtige Mann mit dem roten Turban streckte zum Gruß die Hand aus.
    Endlich. Kraus war drin.
    Es war schon ein Wunder, dass er sich an diesen Zungenbrecher überhaupt erinnern konnte. Dass Pastor Braunschweig die Worte richtig ausgesprochen hatte, musste auf göttliche Intervention zurückzuführen sein. Es war halb fünf in der Früh und stockfinster, es war kalt, und ein frischer Wind wehte; Leute huschten die Stufen der Villa an der Bleibtreustraße hinauf, stießen dieselben verrückten Worte hervor und tauchten in die Mission Göttliche Strahlung ein. Wer hätte sich eine derartige Hexenstunde mitten im Herzen des vornehmen Charlottenburg vorstellen können?
    Die Eingangshalle wurde nur von einer Handvoll Kerzen erleuchtet, deren Geruch Kraus Übelkeit bereitete. Er wartete einen Moment, bis seine Augen sich an die Finsternis gewöhnt hatten. Die Regale mit den Kristallen und mystischen Figürchen wirkten vertraut. Aber als er bei seinem Besuch zuvor durch das Fenster gespäht hatte, hatte er ganz offenbar das überlebensgroße Porträt auf der linken Seite übersehen. Meine Güte! Es zeigte die Hohepriesterin in all ihrer Pracht, wie sie auf einem Kampfwagen über das Ufer eines Flusses raste, vermutlich war es der Nil, jedenfalls nach der Sphinx über ihrer Schulter zu urteilen; es war eine dickbusige Teutonin mit Püppchenlippen und platinblondem, onduliertem Haar. Die flammende Bildüberschrift direkt über ihrem Kopf lautete: HELGA – WÄCHTERINDER ANTIKE! Neben ihr wirkte der Wurstkönig beinahe bescheiden. In einer Ecke stand eine große Büste auf einem Marmorpfeiler, die direkt der nordischen Mythologie entsprungen zu sein schien: eine weibliche Kriegerin mit einem geflügelten Helm und langen Zöpfen. Eine Walküre ... mit Helgas Gesicht.
    Nach dem, was Kraus in dem dämmrigen Kerzenlicht erkennen konnte, schienen die Mitglieder der Mission durchaus wohlhabend zu sein. Sie trugen maßgeschneiderte Anzüge und elegante Lederaccessoires und schienen zumeist in den mittleren Jahren zu sein. Obwohl einige wie Studenten wirkten. Und offenbar befanden sich auch etliche Künstler darunter. Jedenfalls sah Kraus keine Kinder, obwohl er die Anwesenden nicht allzu scharf mustern mochte. Seltsamerweise schien niemand sonderlich viel auf die anderen zu achten. Es herrschte Schweigen, während die Frauen im Gänsemarsch durch eine Tür gingen und die Männer durch eine andere.
    Kraus holte tief Luft und folgte ihnen.
    Er trat in eine dunkle Kammer und fand sich mitten in einer Gruppe von Männern wieder, die in verschiedenen Stadien der Nacktheit waren. Offenbar sollte man, den nackten Ärschen nach zu urteilen, sämtliche Straßenkleidung gegen eine der schwarzen Roben eintauschen, die an Haken an der Wand hingen. Diese bodenlangen Roben hatten, wie Kraus an den Gestalten sah, die sie schon angelegt hatten, Kapuzen, die das Gesicht fast vollkommen verhüllten.
    War das wirklich notwendig?
    Er hätte natürlich seine Dienstmarke zücken und verlangen können,

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