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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Meistens fangen meine Untersuchungen mit Schreibkram an, aber diese war von Anfang an etwas Besonderes.
    »Ich habe eine bessere Idee«, meinte Bobby. »Komm heute nachmittag bei uns vorbei. Mama erwartet so gegen fünf ein paar Leute. Mein Stiefvater hat Geburtstag. So hättest du Gelegenheit, alle gleichzeitig zu treffen.«
    Ich zögerte. »Bist du sicher, daß das in Ordnung geht? Vielleicht hat sie etwas dagegen, wenn ich zu einem so besonderen Anlaß einfach reinplatze.«
    »Das geht klar. Ich werde ihr sagen, daß du kommst. Es wird sie nicht stören. Hast ‘n Stift? Ich erklär dir den Weg.«
    Ich durchwühlte meine Handtasche nach einem Kugelschreiber und meinem Notizbuch und notierte mir die Einzelheiten. »So gegen sechs bin ich da«, sagte ich.
    »Großartig.« Er warf die Wagentür zu und ging.
    Ich beobachtete, wie er zu seinem Wagen humpelte, und fuhr dann nach Hause.
    Ich wohne in einer ehemaligen einfachen Garage, die jetzt zu einem etwa zwanzig Quadratmeter großen Studioappartement für zweihundert Dollar monatlich umgewandelt worden ist. Es dient mir als Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad, Toilette und Waschraum. Alles, was ich besitze, ist vielseitig verwendbar und winzig. Ich habe eine Kombination aus Kühlschrank, Spülbecken und Kochplatte, eine Mini-Waschmaschine mit aufgesetztem Trockner, eine Couch, aus der man ein Bett machen kann (obwohl ich mir selten die Mühe mache, sie auszuklappen), und einen Schreibtisch, den ich manchmal als Eßtisch benutze. Ich neige zur Arbeitswut, und deshalb scheinen meine Wohnräume im Laufe der Jahre auf diese Miniaturgröße geschrumpft zu sein. Eine Zeitlang wohnte ich in einem Wohnwagen, aber das schien mir dann doch zu teuer. Ich bin oft auf Reisen und habe etwas dagegen, mein Geld für Räume auszugeben, die ich nicht nutze. Möglich, daß ich eines Tages meinen persönlichen Bedarf auf einen Schlafsack reduziere, den ich auf den Rücksitz meines Autos werfen kann, um völlig dem Zwang zu Mietzahlungen zu entgehen. Wie die Dinge liegen, sind meine Ansprüche gering. Ich habe weder Haustiere noch Pflanzen. Ich habe zwar Freunde, aber ich gehe keine gesellschaftlichen Verpflichtungen ein. Wenn ich überhaupt Hobbys habe, dann bestehen sie aus dem Reinigen meiner kleinen Halbautomatik und dem Aktenstudium. Ich bin nicht gerade ein Glückspilz, aber ich zahle meine Rechnungen, habe ein bißchen Geld auf die Seite gelegt und bin mit einer Krankenversicherung ausgestattet, um mich vor den Risiken meines Gewerbes zu schützen. Ich mag mein Leben so wie es ist, obwohl ich mir Mühe gebe, mich dieses Umstands nicht allzu sehr zu rühmen. Ungefähr alle sechs oder acht Monate treffe ich auf einen Mann, der mich sexuell aus der Fassung bringt, aber zwischen diesen »Seitensprüngen« lebe ich solo und unverheiratet, was meiner Ansicht nach keine besondere Leistung ist. Nach zwei erfolglosen Ehen bin ich in der Lage, die Augen offen und die Beine geschlossen zu halten.
    Mein Appartement liegt an einer bescheidenen, mit Palmen gesäumten Straße einen Block vom Strand entfernt, und es gehört einem Mann namens Henry Pitts, der das Hauptgebäude auf dem Grundstück bewohnt. Henry ist einundachtzig Jahre alt und ein pensionierter Bäcker, der sein Einkommen jetzt durch die Herstellung von Brot und Kuchen aufbessert, die er bei den ortsansässigen Kaufleuten gegen andere Waren und Dienstleistungen tauscht. Er richtet Teegesellschaften für die alten Damen in der Nachbarschaft aus und schreibt in seiner Freizeit Kreuzworträtsel, die irre schwer zu lösen sind. Er ist ein sehr gutaussehender Mann: groß, schlank und braungebrannt, mit schneeweißem Haar, das weich ist wie Babyflaum, und einem schmalen, aristokratischen Gesicht. Seine Augen sind veilchenblau, in der Farbe von Zwergpurpurwinden, und sie strahlen Intelligenz aus. Er ist teilnahmsvoll, mitfühlend und süß. Deshalb hätte es mich nicht so überraschen sollen, ihn in der Gesellschaft eines »Schätzchens« vorzufinden, das mit ihm zusammen Mint Juleps im Garten trank, als ich nach Hause kam.
    Wie immer hatte ich meinen Wagen vor dem Grundstück geparkt und lief ums Haus herum nach hinten auf meine Eingangstür zu. Mein Appartement geht zum Hof hinaus und gibt den Blick auf ein kleines Stück malerischer Landschaft frei. Henry hat ein Stückchen Rasen da hinten, eine Trauerweide, Rosensträucher, zwei Zwergzitronenbäumchen und einen kleinen, gepflasterten Innenhof. Er kam gerade aus seiner Hintertür,

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