Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
kann ich für Sie tun?« Er hatte sich in seinem Drehsessel zurückgelehnt und die Schenkel gespreizt.
»Soviel ich weiß, haben Sie einen Anspruch auf Verlust durch Brand angemeldet.«
»Das ist richtig. Und glauben Sie mir, ich verlange nichts, was mir nicht zusteht.«
Ich murmelte etwas Nichtssagendes vor mich hin und hoffte, daß ich die Tatsache verbarg, daß ich mißtrauisch geworden war. Jeder Versicherungsbetrüger, dem ich je gegenübergesessen habe, hatte genau dasselbe gesagt, bis hin zu dem frommen kleinen Kopfnicken. Ich zog meinen Kassettenrecorder heraus, schaltete ihn an und stellte ihn auf den Tisch. »Die Gesellschaft verlangt, daß ich dieses Interview mitschneide«, erklärte ich.
»Das ist schon in Ordnung.«
Meine nächsten Bemerkungen richtete ich an den Recorder, nannte meinen Namen, die Tatsache, daß ich für die California Fidelity arbeitete, Datum und Uhrzeit des Interviews und erklärte, daß ich mit Lance Wood in seiner Eigenschaft als Präsident von Wood/Warren sprach, nannte die Anschrift der Gesellschaft und erklärte die Art des Verlustes.
»Mr. Wood, es ist Ihnen bekannt, daß dieses Gespräch aufgezeichnet wird«, sagte ich zu dem Recorder.
»Ja.«
»Und ich habe Ihre Erlaubnis, die Unterhaltung mitzuschneiden, die wir jetzt führen werden?«
»Ja, ja«, sagte er und vollführte dabei diese kleine Drehbewegung mit der Hand, die sagen will: »Lassen Sie uns endlich anfangen.«
Ich warf einen Blick auf die Akte. »Können Sie mir etwas über die Umstände berichten, unter denen der Brand im Lagerhaus von Wood/Warren in 606 Fairweather am 19. Dezember dieses Jahres stattfand?«
Er rutschte ungeduldig hin und her. »Offen gesagt, ich war nicht in der Stadt, aber nach allem, was man mir erzählt hat...« Das Telefon summte, und er packte den Hörer und bellte wie ein Hund hinein: »Ja?«
Es gab eine Pause. »Ja, verdammt, stellen Sie sie durch.« Er warf mir einen kurzen Blick zu. »Nein, warten Sie. Ich nehme es draußen an.« Er legte auf, entschuldigte sich brüsk und verließ das Zimmer. Ich schaltete den Recorder aus und berichtigte im Geiste den ersten Eindruck, den ich von ihm gehabt hatte. Er wurde um die Taille herum schwer, und seine Gabardinehose war ungünstig hochgerutscht. Sein Hemd klebte mitten auf dem Rücken. Er stank nach Schweiß — nicht nach dem sauberen, animalischen Schweiß, wie ihn harte körperliche Arbeit hervorruft, sondern nach dem stechenden, etwas abstoßenden Geruch von Streß. Seine Haut war bleich, und irgendwie sah er ungesund aus.
Ich wartete fünfzehn Minuten und schlich dann auf Zehenspitzen zur Tür. Die Empfangshalle war verlassen. Von Lance Wood war weit und breit nichts zu sehen. Ebensowenig von Heather. Ich ging weiter zu der Tür, die ins innere Büro führte. Aus dem Augenwinkel erhaschte ich einen Blick auf jemanden, der sich auf der Rückseite des Gebäudes bewegte und sehr nach Ebony aussah, aber ich war mir nicht sicher. Eine Frau blickte zu mir auf. Der Name auf ihrem Schreibtisch wies sie als Ava Daugherty aus, die Bürovorsteherin. Sie war Ende Vierzig, mit einem kleinen Gesicht und einer Nase, die aussah, als hätte ein Chirurg sie gemacht. Ihr Haar war kurz und schwarz, mit dem Glanz von Haarspray. Sie war über irgend etwas traurig, möglicherweise über die Tatsache, daß sie gerade einen ihrer leuchtendroten Acrylfingernägel abgebrochen hatte.
»Ich sollte mich mit Lance Wood treffen, aber er ist verschwunden. Wissen Sie, wohin er gegangen ist?«
»Er hat das Werk verlassen.« Sie leckte versuchsweise über den gesplitterten Nagel, als könnte ihre Spucke ihn wieder kleben.
»Er ist gegangen?«
»Das sagte ich doch.«
»Hat er gesagt, wann er zurück sein würde?«
»Mr. Wood berät sich nicht mit mir«, erwiderte sie schnippisch. »Wenn Sie Ihren Namen hinterlassen, nimmt er bestimmt Kontakt mit Ihnen auf.«
Eine Stimme unterbrach sie. »Stimmt was nicht?«
Wir sahen beide auf. Ein dunkelhaariger Mann stand in der Tür hinter mir. Ava Daughertys Verhalten wurde etwas weniger feindselig. »Das ist der Vizepräsident der Gesellschaft«, erklärte sie mir, und dann, zu ihm gewandt: »Sie sollte sich mit Lance treffen, aber er hat die Fabrik verlassen.«
»Terry Kohler«, stellte er sich mir vor und hielt mir die Hand hin. »Ich bin Lance Woods Schwager.«
»Kinsey Millhone, von der California Fidelity«, sagte ich und schüttelte ihm die Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen.« Sein Händedruck war fest
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