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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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zufielen.
    Um sechs Uhr fuhr ich mit einem Ruck in die Höhe. Der Wind hatte sich wieder gelegt; und dank der wie wild arbeitenden Klimaanlage war es im Zimmer ungemütlich kalt geworden. Das Sonnenlicht war zum milden Gold des schwindenden Tages verblichen und badete die Wände meines Zimmers in sanftem maisgelben Glanz. Draußen begann das Hotelpersonal wie jeden Tag zu fegen. Alle Gehwege mußten gekehrt und die Haufen schwarzen Sandes zum Strand hinuntergefegt werden.
    Ich duschte und kleidete mich an, fuhr ins Foyer hinunter und machte, in der Hoffnung, das Paar wieder zu sichten, eine Runde durchs Hotel. Ich sah mich im Restaurant, in den beiden Bars, auf der Terrasse und im Innenhof um. Vielleicht machten sie ein Nickerchen oder aßen in ihrem Zimmer zu Abend. Vielleicht waren sie auch zum Essen in den Ort gefahren. Ich schnappte mir selbst ein Taxi und ließ mich nach Viento Negro bringen. Um diese Zeit erwachte das Städtchen gerade wieder zum Leben. Die Strahlen der untergehenden Sonne vergoldeten für kurze Zeit die Telefondrähte. Die Luft war schwer von der Hitze und durchdrungen vom Geruch des Buschlands.
    In einem Selbstbedienungsrestaurant im Freien fand ich einen unbesetzten Tisch für zwei — mit Blick auf eine verlassene Baustelle. Der viele von Unkraut überwachsene Beton und die rostigen Stangen und Gitter konnten meinen Appetit nicht im geringsten dämpfen. Mit einem Pappteller voll gedünsteter Shrimps, die ich schälte und in Salsa tauchte, saß ich auf einem wackligen Klappstuhl und ließ es mir schmecken. Blecherne Musik vom Band dröhnte aus den Lautsprechern über mir. Das Bier war eiskalt und das Essen, wenn auch mittelmäßig, so doch wenigstens billig und sättigend.
    Um halb neun kam ich ins Hotel zurück. Wieder sah ich mich im Foyer um und machte dann noch einmal einen Abstecher zum Restaurant und den beiden Bars des Hotels. Nirgends fand ich eine Spur von Wendell oder der Frau in seiner Begleitung. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er unter dem Namen Jaffe reiste, es hatte also wenig Sinn, am Empfang nach ihm zu fragen. Ich hoffte, daß die beiden nicht ausgezogen waren. Eine Stunde streifte ich im Hotel herum und ließ mich endlich auf einem Sofa im Foyer in der Nähe des Eingangs nieder. Ich kramte mein Buch aus meiner Handtasche und las zerstreut bis weit nach Mitternacht.
    Erst da gab ich auf und ging in mein Zimmer. Sicherlich würden die beiden am folgenden Morgen wieder auftauchen. Vielleicht konnte ich den Namen herausbekommen, unter dem Jaffe derzeit reiste. Ich wußte nicht recht, was ich mit der Information anfangen würde, aber ich war sicher, daß es Mac interessieren würde.

3
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    Am nächsten Morgen stand ich um sechs auf, weil ich am Strand ein Stück laufen wollte. Am Morgen nach meiner Ankunft war ich nach beiden Seiten je anderthalb Meilen weit gejoggt. Jetzt reduzierte ich die Strecke auf Viertelmeilenabschnitte, um das Hotel im Auge behalten zu können. Ich hoffte immer noch, ich würde sie entdecken — auf der Terrasse am Pool, beim Morgenspaziergang am Strand. Ich fürchtete immer noch, sie könnten am Abend zuvor abgereist sein, so unwahrscheinlich das auch war.
    Nach der morgendlichen Ertüchtigung nahm ich in meinem Zimmer eine rasche Dusche und zog mich an. Ich legte einen Film in die Kamera ein, hängte mir sie um den Hals und ging in den Frühstücksraum, der sich an das obere Foyer anschloß. Ich wählte einen Platz in der Nähe der offenen Tür und legte den Fotoapparat auf den Stuhl neben mir. Beinahe unablässig behielt ich den Aufzug im Auge, während ich Kaffee, Saft und Flocken bestellte. Ich zog das Frühstück in die Länge, so gut es ging, aber weder Wendell noch die Frau ließen sich sehen. Nachdem ich die Rechnung unterschrieben hatte, ging ich mit meinem Fotoapparat zum Pool hinunter, wo sich bereits andere Gäste eingefunden hatten. Im Wasser tobte eine Meute präpubertärer Knaben herum, und im Innenhof spielte ein frisch verheiratetes Pärchen Tischtennis. Ich wanderte einmal um das Hotel herum und ging wieder hinein — durch die Bar im unteren Foyer zur Treppe. Meine Unruhe wuchs.
    Und da sah ich sie plötzlich.
    Sie stand mit verschiedenen Zeitungen in der Hand vor dem Aufzug. Anscheinend hatte ihr noch keiner gesagt, wie selten die Aufzüge funktionierten. Sie war noch ungeschminkt, und ihr Haar war wirr und zerzaust vom Schlaf. Sie hatte Badesandalen an den Füßen und trug einen Frotteebademantel, der um die Taille lose

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