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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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gegürtet war. Unter dem klaffenden Revers konnte ich einen dunkelblauen Badeanzug sehen. Wenn die beiden vorgehabt hätten, an diesem Tag abzureisen, dachte ich mir, hätte sie sich sicher nicht zum Baden angezogen. Sie sah flüchtig auf meinen Fotoapparat, mied jedoch meinen Blick.
    Ich stellte mich neben sie und starrte fasziniert die Leuchtanzeige an. Die Aufzugtür öffnete sich, und zwei Leute traten heraus. Ich hielt mich diskret im Hintergrund und ließ sie zuerst einsteigen. Sie drückte auf den Knopf mit der Zwei und sah mich fragend an.
    »Da will ich auch hin«, murmelte ich.
    Sie lächelte vage, ohne echte Absicht, Kontakt aufzunehmen. Ihr schmales Gesicht wirkte eingefallen, dunkle Schatten unter ihren Augen ließen darauf schließen, daß sie nicht gut geschlafen hatte. Der schwüle Duft ihres Parfüms hing zwischen uns in der Luft. Schweigend fuhren wir ins zweite Stockwerk hinauf, und als die Tür sich öffnete, ließ ich ihr mit einer höflichen Geste den Vortritt.
    Sie wandte sich nach rechts und steuerte auf ein Zimmer am hinteren Ende des Korridors zu. Ihre Gummisandalen schlugen klatschend auf den gefliesten Boden. Ich blieb stehen und tat so, als suchte ich in den Taschen nach meinem Schlüssel. Mein Zimmer war eine Etage tiefer, aber das brauchte sie nicht zu wissen. Ich hätte mir gar nicht solche Mühe zu geben brauchen, sie zu täuschen. Sie schloß die Tür zu Nummer 312 auf und ging hinein, ohne noch einmal zurückzublicken. Es war fast zehn, und der Wagen des Zimmermädchens stand zwei Türen entfernt von dem Zimmer, in dem die Frau verschwunden war. Die Tür zu Zimmer 316 stand offen, das Zimmer war offenbar gerade freigeworden und leer.
    Ich eilte zum Aufzug zurück und ging, unten angekommen, direkt zum Empfang, da ich um ein anderes Zimmer bitten wollte. Der Hotelangestellte war sehr entgegenkommend, vielleicht weil das Haus fast leer war. Das Zimmer, sagte er, würde allerdings frühestens in einer Stunde fertig sein, aber ich nahm diese Wartezeit huldvoll in Kauf. Ich ging zum Kiosk und kaufte mir ein Exemplar der Zeitung von San Diego.
    Mit der Zeitung unter dem Arm fuhr ich zu meinem alten Zimmer hinauf, packte Kleider und Fotoapparat in meine Reisetasche, sammelte meine Toilettensachen und schmutzige Unterwäsche ein. Ich nahm die Tasche mit ins Foyer und wartete dort darauf, das andere Zimmer beziehen zu können. Keinesfalls wollte ich Wendell eine Gelegenheit geben, sich aus dem Staub zu machen. Als ich mich endlich im Zimmer 316 einrichten konnte, war es fast elf. Vor 312 stand ein Frühstückstablett mit schmutzigem Geschirr. Ich warf einen Blick auf die Toastkrümel und die Kaffeetassen. Diese Leute aßen entschieden zu wenig Obst.
    Ich ließ meine Zimmertür angelehnt, während ich auspackte. Ich hatte mich nun zwischen Wendell Jaffe und den Hotelausgang placiert; sowohl die Treppe als auch die Aufzüge befanden sich mehrere Türen rechts von mir. Ich hielt es für ziemlich ausgeschlossen, daß er verschwinden konnte, ohne von mir gesehen zu werden. Und siehe da, um halb eins sah ich ihn und seine Freundin auf dem Weg nach unten, beide in Schwimmkleidung. Ich ging mit meinem Fotoapparat auf den Balkon und wartete, bis sie zwei Stockwerke tiefer auf den Fußweg kamen.
    Ich hob meinen Fotoapparat und verfolgte den Weg der beiden durch den Sucher. Ich hoffte, sie würden sich irgendwo in Reichweite des Zooms niederlassen. Sie verschwanden hinter üppigen gelben Hibiskusbüschen. Ich bekam sie kurz ins Blickfeld, während sie ihre Sachen auf einem Tisch ablegten und es sich in ihren Liegestühlen bequem machten. Doch als sie endlich die richtige Stellung gefunden und sich ausgestreckt hatten, um die Sonne zu genießen, waren sie bis auf Wendell Jaffes Füße von den blühenden Sträuchern abgeschirmt.
    Ich ließ ein wenig Zeit verstreichen, dann folgte ich ihnen an den Pool und verbrachte den Tag in ihrer nächsten Nähe. Diverse bleiche Neuankömmlinge waren damit beschäftigt, ihr Revier zwischen Bar und Pool abzustecken. Mir ist aufgefallen, daß Urlauber in solchen Ferienhotels dazu neigen, auf Hoheitsrechte zu pochen, indem sie Tag für Tag dieselben Liegestühle, dieselben Barhocker, dieselben Tische im Restaurant beanspruchen, damit nur ja alles genauso langweilig und vorhersehbar ist wie zu Hause. Ich würde wahrscheinlich bereits nach einem Tag der Observation Vorhersagen können, wie die meisten von ihnen ihren Urlaub gestalten wollen. Und wenn sie wieder nach Hause

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