Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
Als der bew ährte Detective Tom Newquist nach vielen Jahren Dienst im Distrikt Nota Lake plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt, findet seine Witwe Selma keine Ruhe. Denn Tom war in den letzten Wochen seines Lebens außerordentlich bedrückt, und zudem geben die Umstände seines Todes einige Rätsel auf: Er wurde nachts in seinem Dienstfahrzeug auf freier Straße entdeckt -tot am Steuer, bei laufendem Motor und brennenden Scheinwerfern. Selma wird das Gefühl nicht los, dass Tom ihr etwas verschwiegen hat, und bittet die Privatdetektivin Kinsey Millhone um Hilfe. Ein erster Anhaltspunkt führt Kinsey nach Santa Teresa, denn dort wollte Tom kurz vor seinem Tod Kontakt aufnehmen zu Alfie Toth, einem kleinen Berufskriminellen. Bei seiner Ankunft war Alfie jedoch nicht mehr am Leben: Man hatte ihn erhängt aufgefunden, das eine Ende der Seilschlinge mit einem Stein beschwert, der in einer Astgabel hing. Eine höchst ungewöhnliche Art des Selbstmords, die noch mysteriöser wird, als sich herausstellt, dass Alfies Kumpane Pinkie Ritter fünf Jahre vorher auf dieselbe Weise zu Tode gekommen ist. Zwei Selbstmorde? Oder doch zwei Morde? Während Kinsey noch damit beschäftigt ist, die Fäden dieser rätselhaften Vorfälle zu
verkn üpfen, muß sie plötzlich feststellen, dass ihre Arbeit massiv behindert wird. Doch selbst als sie einer Reihe hinterhältiger Angriffe nur knapp entkommt, ist Kinsey
fest entschlossen, das Feld nicht kampflos zu r äumen. Denn es scheint, als sei sie
durch eine mysteri öse Buchstabenkombination gerade auf eine heiße Spur gestoßen...
Sue Grafton, geboren 1940 in Kentucky, verfa ßte Drehbücher, bevor sie ihren ersten
Roman ver öffentlichte. Inzwischen werden ihre Bücher in 28 Sprachen übersetzt und
erreichen Millionenauflagen allein in den USA. Sue Grafton ist Pr äsidentin des
Verbandes der »Mystery Writers of America«. Sie lebt abwechselnd in Kentucky und
im kalifornischen Santa Barbara.
SUE GRAFTON
Kopf in der Schlinge
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »N is for Noose Für Steven, der mein Leben möglich macht
1
Manchmal denke ich darüber nach, wie seltsam es wäre, einen Moment lang in die Zukunft sehen zu können, einen kurzen Blick auf die Ereignisse zu werfen, die uns zu einem unbekannten Zeitpunkt erwarten. Stellen Sie sich vor, wir könnten durch ein winziges Guckloch in der Zeit schauen und einen zufälligen Ausschnitt von dem aufschnappen, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Manche Momente, die wir erblickten, würden uns völlig unverständlich sein, und manche, so fürchte ich, würden uns maßlos erschrecken. Wenn wir wüssten, was uns droht, würden wir manche Entscheidungen nicht treffen und am Scheideweg Alternative B statt Alternative A wählen; der Arbeitsplatz, die Ehe, der Umzug in eine andere Stadt, der Nachwuchs, der geplante medizinische Eingriff, der langersehnte Skiurlaub, der so viel Spaß zu machen schien - bis das dunkle Rumpeln der Lawine ertönte. Wären uns die Konsequenzen jeder Handlung klar, könnten wir nach Gutdünken entscheiden und unser Schicksal selbst umgestalten. Aber natürlich verläuft die Zeit nur in eine Richtung, und das offenbar in geordneter Abfolge. Hier, in der nüchternen und kalten Gegenwart, sind wir abgeschirmt vor dem Wissen um die Gefahren, die auf uns warten, durch blinde Unschuld geschützt vor zukünftigen Schrecken.
Nehmen wir nur einmal meinen Fall. Ich kurvte in einem preisreduzierten Mietwagen auf dem Highway 395 durch die Berge, und zwar in südlicher Richtung auf den Ort Nota Lake in Kalifornien zu, wo ich eine potentielle Klientin befragen wollte. Die Straße war trocken und die Sicht einwandfrei, da klares Wetter herrschte. Der Auftrag der Klientin war nichts Besonderes, jedenfalls nicht, soweit ich informiert war. Ich hatte keine Ahnung, dass irgendwelche Risiken lauerten, sonst hätte ich mich nicht darauf eingelassen.
Ich hatte Dietz in Carson City zurückgelassen, wo ich die letzten zwei Wochen damit verbracht hatte, für ihn Krankenschwester und Gesellschafterin zu spielen, während er sich von einem Krankenhausaufenthalt erholte. Er hatte sich einer Knieoperation unterziehen müssen, und ich hatte mich bereit erklärt, ihn in seinem schnieken, kleinen roten Porsche nach Nevada zurückzufahren. Mit meiner Fürsorglichkeit ist es nicht weit her, aber ich bin praktisch veranlagt, und die neunstündige Fahrt erschien mir als die naheliegendste Lösung für das
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