Kirscheis (German Edition)
Maße genommen hatte, sehr stark auf seinen Körper reagiert hatte. Sie hatte bis jetzt von allen Männern, die in der Boutique Kleidung bestellt hatten, die Maße genommen. Einfach, weil Johanna sie darum gebeten hatte. Bei Frauen hatte ihre Freundin überhaupt kein Problem. Aber Männer... Das war eine völlig andere Sache. Und keiner der anderen Männer war auch nur im geringsten so anziehend wie Dominic gewesen. Er sah gut aus und war auf den ersten Blick sehr nett und charmant. Und witzig, falls sie ihn richtig einschätzen konnte.
Wieder sah sie auf das weiße Blatt vor sich und legte schließlich den Stift aus der Hand. Auch der Block landete auf der anderen Bettseite, als sie aufstand und in ihrer Tasche nach dem Handy und der Visitenkarte kramte. Als sie fündig geworden war, setzte sie sich mit den beiden Sachen auf ihr Bett und speicherte die Nummer von Dominic ein. Sollte sie ihm schreiben? Dann hätte er ihre Nummer, was sie bis jetzt immer vermeiden wollte.
Ihr vorletzter Ex hatte sich sehr penetrant ihrer Nummer bedient und sie sehr oft nachts aus dem Bett geklingelt. Die Hasstiraden, die sie dann zu hören bekommen hatte, weil sie ihn abgeschossen und er es mit seinem übersteigerten, männlichen Ego nicht vereinbaren konnte, waren am Ende so schlimm, dass sie ihre Nummer gewechselt hatte.
Würde Dominic auch so werden? Er hatte im Laden schon erwähnt, dass er, wenn sie das Date absagen würde, jeden Tag bei ihr auftauchen würde, bis sie mit ihm ausginge. Sie legte das Handy beiseite und schaltete das Licht aus. Es war erst Freitag. Sie hatte also noch genügend Zeit, über alles nachzudenken.
4. Kapitel
Montag morgen fuhren Johanna und Katharina gemeinsam zur Boutique. Es war Anprobetag. Einer der wenigen Tage, an denen Johanna die Wohnung verließ. Anprobetag bedeutete, dass die Kundinnen, die Kleider bestellt hatten, zur ersten oder zweiten Anprobe kamen. Auch Neukundinnen, die heute zum ersten Mal vermessen werden sollten, wurden erwartet. Der Terminkalender war voll, doch das störte Katharina nicht im geringsten. Und Johanna war über jede Arbeit glücklich, die sie ablenkte.
Katharina sah ihr gern bei der Arbeit zu, schon allein wegen ihren flüssigen und grazilen Bewegungen. Sie war wie eine Tänzerin und der Anproberaum, mit den ganzen Spiegeln und Stoffen, war ihre Bühne. Sie war eine exzellente Näherin, aber leider war sie nicht für den Verkauf und die Kundenbetreuung geschaffen. Dafür war sie einfach zu ruhig und zu schüchtern. Das übernahm im Normalfall Katharina. Und sie schwatzte gerne und viel mit den Frauen. So hörte sie den neusten Klatsch und diverse Gerüchte. Das ersparte ihr die täglichen Nachrichten.
Als gegen zehn der erste Ansturm vorüber war, wurde plötzlich die Türglocke betätigt. Verwundert trat Katharina in den Verkaufsraum und sah einen Boten am Tresen stehen. Der allein war nicht so unerwartet, wie der riesige Blumenstrauß in seiner Hand.
"Katharina Sullivan?" Sie nickte perplex. Bisher hatte sie noch nie Blumen geschenkt bekommen. Der Bote reichte ihr den Strauß und zog dann einen Briefumschlag aus der Tasche.
"Einen schönen Tag noch", und dann war er weg. Johanna kam dazu und nahm ihr den Strauß aus den Händen.
"Der ist ja schön. Rote Rosen und Tulpen. Wie das duftet!" Als sie ihr ins Gesicht sah, musste sie grinsen.
"Da hat wohl jemand einen Verehrer." Katharina riss sich wieder am Riemen und öffnete den Briefumschlag.
Ich freue mich auf morgen. Ich hol dich gegen 18 Uhr in der Boutique ab. Dominic
Sollte das eine Erinnerung sein? Oder wartete er einfach auf eine Nachricht? Hätte sie ihm schreiben sollen? Als sie sich zu Johanna umdrehen wollte, war diese schon auf dem Weg nach hinten. Wahrscheinlich kümmerte sie sich darum, dass die Blumen Wasser bekamen. Sie ging zum Tresen und nahm ihr Handy in die Hand. Sollte sie sich für die Blumen bedanken? Oder war es seinerseits nur eine Erinnerung und die Bekanntgabe einer Uhrzeit, wann er sie abholen würde? Als die Tür ein weiteres Mal geöffnet wurde, legte sie ihr Handy wieder beiseite und begrüßte die Kundin. Der nächste Termin. Immerhin ersparte ihr das eine Nachricht zu schreiben. Außer einem Dankeschön hätte sie sowieso nichts zu schreiben gehabt.
Gegen Mittag verabschiedeten sie eine Kundin und bestellten sich etwas zu essen. Die Anprobetage waren immer sehr anstrengend und kräftezehrend, vor allem für Johanna. Sie lief die ganze Zeit hin und her, nahm
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