Kishons beste Familiengeschichten.
sehr armes Land, und in bezug auf alte Stilmöbel ist es vermutlich das ärmste Land der Welt. Weder die illegalen Einwandererschiffe noch irgendwelche fliegenden Teppiche haben größere Bestände von Louis Quatorzen ins Land gebracht, geschweige denn von Louis Seizen. Wenn da und dort einmal ein Endchen Barock oder ein Eckchen Empire auftaucht, wissen es fünf Minuten später sämtliche Professionals. Man denke nur an das berühmte Florentiner Nähkästchen in Kirjat Bialik.
»Alle meine Freundinnen wollen das Kästchen haben«, flüsterte meine Frau, und ihre Augen funkelten. »Aber die Eigentümer verlangen 1200 Pfund dafür. Das ist den Händlern zu teuer. Sie warten.«
»Und die Freundinnen?«
»Kennen die Adresse nicht.«
Hier liegt das Geheimnis des Antiquitätenhandels: in der Adresse. Hat man eine Adresse, dann hat man auch Antiquitäten.
Ohne Adresse ist man erledigt. Ein echtblütiger Antiquitätenhändler wird sich eher zu Tode foltern lassen, ehe auch nur die Andeutung einer Adresse über seine Lippen kommt.
So werden wir zum Beispiel nie den Namen des ursprünglichen Eigentümers jener neapolitanischen Großvater-Standuhr erfahren (1873), die zugleich die Mondpositionen anzeigt. Während des letzten halben Jahrhunderts hat sie allerdings nur noch Mondfinsternisse angezeigt, weil ein Teil des Räderwerkes mittlerweile verrostet war und nicht ersetzt werden konnte, so daß die ganze Pracht zu überhaupt nichts mehr zu gebrauchen ist, außer vielleicht als Toilettentisch, Sei dem wie immer: Die Freundinnen meiner Frau gieren nach dem Stück. Chassia ihrerseits bevorzugt den vergoldeten Vogelkäfig (1900). Dieser Gelegenheitskauf wurde uns von Bendori, dem bewährten »Aus Neu mach Alt«-Restaurator, auf Schleichwegen zugeschanzt. Er hat ihn einem Einwanderer aus Kenya abgenommen, der ihn zuerst an Azizao verkauft hatte, durch Wexler. Azizao hat meiner Frau auch ein original Windsor-Tischbein verschafft. Sehr groß, sehr dick, mit lockigen Intarsien, eine helle Freude und schwer von Gewicht.
»Wozu brauchst du dieses einmalige Ersatzteil?« hatte ich meine Frau gefragt, nachdem die beiden Möbelpacker gegangen waren.
Ihre Antwort war unbestimmt. Sie hoffe, sagte sie, daß Azizao noch ein paar ähnliche Tischbeine auftreiben würde, und wenn sie genug beisammen hätte, könnte man vielleicht an die Herstellung eines Tisches denken.
Jedenfalls ist unsere Wohnung jetzt voll von Atmosphäre. Man kann kaum noch einen Schritt machen, ohne über Rokoko oder Renaissance zu stolpern. Besucher verlassen unsere Wohnung in gut gefirnißtem Zustand. Von Zeit zu Zeit geht das Telefon, und wenn ich »Hallo!« sage, wird am anderen Ende wortlos aufgelegt. Ich weiß: Es ist Wexler. Und von Zeit zu Zeit spricht die beste Ehefrau von allen aus dem Schlaf. Es klingt wie »Kirjat Bialik« und »Nähkästchen«.
Der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte, war ein Biedermeier-Sekretär. Um diese Zeit hatte ich bereits eine schwere Allergie gegen Treppensteigen entwickelt. Immer, wenn ich Schritte auf der Treppe hörte, erlitt ich einen Schweißausbruch. Diesmal waren es besonders schwere Schritte, die besonders mühsam die Treppe emporstapften. Der Nachttisch, den sie transportierten, wog mindestens eine halbe Tonne. Als Draufgabe kam das zusammenklappbare Feldbett des Feldmarschalls Hindenburg (1917).
»Ich bin kein Feldmarschall«, brüllte ich. »Und wozu hast du den Nachttisch gekauft?«
»Um ihn neben mein Bett zu stellen.«
»So. Und was steht neben meinem Bett?«
Die beste Ehefrau von allen kauft immer nur Einzelstücke. Einen Stuhl, einen Kerzenhalter, einen Nachttisch. Als ob wir nicht zwei Betten besäßen und jetzt auch noch den zusammenklappbaren Hindenburg.
»Schon gut, schon gut«, tröstete ich mich. »Ich werde mich um Pendants umschauen.«
Am nächsten Morgen ging ich zu Wexler. Mein Entschluß stand fest. Wexler oblag gerade einer Art Innendekoration. Er griff wahllos nach antiken Gegenständen und warf sie durcheinander. Dieses Durcheinander gilt als Kennzeichen eines leistungsfähigen Antiquitätenladens. Je größer und unübersichtlicher es ist, desto größer ist die Chance, daß man lange suchen muß, um etwas zu finden, und desto größer die Freude des Finders. Des weiblichen Finders, versteht sich.
Ich bat Wexler, sich nicht stören zu lassen, und sah mich in seinem Privatgewölbe um. An der einen Wand hing eine Karte von Israel, die mit etwa zehn verschiedenfarbigen
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