Kishons beste Familiengeschichten.
aussetzen wollten, verkauften wir den Spiegel kurzerhand für zwanzig Piaster an einen Altwarenhändler, dem wir, um ihm die Transaktion schmackhaft zu machen, noch drei Paar Skier samt den dazugehörigen Stiefeln draufgaben.
Drei Tage später kam es abermals zu einer Krise, als wir Latifa aufforderten, den Plafond zu säubern.
»Entschuldigen Sie«, sagte Latifa. »Aber Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich auf eine Leiter hinaufsteigen werde, solange der Kleine im Haus ist? Er braucht nur ein einziges Mal unter der Leiter durchzukriechen und bleibt sein Leben lang ein Zwerg. Dann können Sie ihn an einen Zirkus verkaufen.«
»Na, na«, sagte meine Frau besänftigend, und ich schloß mich ihr an. »Na, na«, sagte ich besänftigend.
»Na, na? Was wollen Sie damit sagen? Der Tischler in unserem Haus hat einen Sohn, der ist jetzt fünfzehn Jahre alt und nur einen halben Meter groß, weil er als Kind immer unter den Leitern durchgekrochen ist. Wenn Sie aus Ihrem Sohn mit aller Gewalt einen Zwerg machen wollen, kann ich Sie nicht hindern. Aber ich möchte meine Hand nicht dazu hergeben.«
Als nächstes kam die Sache mit den Fensterscheiben. Latifa erklärte, nur ein Irrsinniger könne daran denken, die Fensterscheiben am Freitag putzen zu lassen – wo doch jeder Mensch weiß, daß dann sofort ein Brand ausbricht. Vergeblich bemühten wir uns, Latifa zu einer einmaligen Zuwiderhandlung gegen ihre wohlfundierten Lebensregeln zu bewegen. Sie blieb hart. Wenn wir ihr im weiten Umkreis – so verkündete sie – auch nur eine einzige normaldenkende Frauensperson zeigen könnten, die bereit wäre, am Freitag die Fenster zu putzen, dann würde sie für die nächsten drei Monate auf ihr Gehalt verzichten.
Wir gaben auf, gingen zum Fenster und blickten verzweifelt hinaus. Was sahen wir? In der Wohnung unseres Drogisten gegenüber war das Hausmädchen gerade damit beschäftigt, die Fenster zu putzen.
»So ein Gauner!« rief Latifa empört. »Erst gestern hat er eine Feuerversicherung abgeschlossen!«
Donnerstag nachmittag ersuchten wir Latifa, die Vorhänge abzunehmen. Sie taumelte, als hätte sie der Blitz getroffen, und brachte nur noch ein Flüstern zustande:
»Was?« flüsterte sie. »Was? Die Vorhänge abnehmen? Im Monat Kislew? Sind Sie verrückt? Damit der kleine Rafi krank wird?«
Diesmal waren wir entschlossen, nicht nachzugeben. Wir informierten Latifa unumwunden, daß wir ihr nicht glaubten, und außerdem gebe es um die Ecke einen Doktor. Latifa wiederholte, daß sie eine so verbrecherische Handlung wie das Abnehmen von Vorhängen im Monat Kislew nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könne. Daraufhin machten wir uns erbötig, die volle Verantwortung für alle etwa eintretenden Folgen zu übernehmen.
»Schön«, sagte Latifa. »Kann ich das schriftlich haben?«
Ich setzte mich an den Schreibtisch und fertigte eine eidesstattliche Erklärung aus, daß uns Frau Latifa Kudurudi für den Fall einer Vorhangabnahme vor einer Erkrankung unseres Söhnchens gewarnt hätte, aber von uns gezwungen worden wäre, die Vorhänge dessenungeachtet und auf unsere Verantwortung abzunehmen.
Latifa nahm die Vorhänge ab.
Am Abend klagte der kleine Rafi über Kopfschmerzen. In der Nacht bekam er Fieber. Am Morgen zeigte das Thermometer vierzig Grad. Latifa sah uns vorwurfsvoll an und zuckte die Schultern. Meine Frau lief um den Doktor, der bei Rafi eine Grippe feststellte.
»Aber wie ist das nur möglich?« schluchzte meine Frau. »Wir passen doch so gut auf ihn auf. Warum bekommt er plötzlich eine Grippe?«
»Warum?« kam Latifas Stimme aus dem Hintergrund des Zimmers. »Ich werde Ihnen sagen, warum! Weil ich die Vorhänge abnehmen mußte.«
»Was?« Der Doktor wandte sich um. »Was sagen Sie?«
»Jawohl«, sagte Latifa. »Die Vorhänge. Hat schon jemals ein vernünftiger Mensch im Kislew die Vorhänge abgenommen, wenn ein kleines Kind im Haus ist?«
»Das Mädchen hat vollkommen recht«, sagte der Doktor. »Wie können Sie bei diesem unfreundlichen, naßkalten Wetter die Vorhänge abnehmen? Kein Wunder, daß der Kleine sich erkältet hat. Ich muß schon sagen, daß mich Ihr Vorgehen sehr überrascht…«
Latifa trat wortlos an den Arzt heran, zeigte ihm das von mir ausgestellte Zeugnis und begab sich ebenso wortlos in die Küche.
Seither richten wir uns widerspruchslos nach Latifas Entscheidungen. Soviel wir bisher feststellen konnten, darf am Sonntag keine Wäsche gewaschen werden, weil sonst eine
Weitere Kostenlose Bücher