Cocaine oder die Lust zur Hingabe
Eins
Dunkle Wolken zogen über den nächtlichen Himmel. Nur hin und wieder drang Mondlicht zwischen ihnen hervor, tauchte Meer und Küste für Augenblicke in silbrige Helligkeit und huschende Schatten. Feiner Sprühregen mischte sich mit dem Nebel, der vom kabbeligem Wasser des Meeres aufstieg und Steine, Mauern, Büsche und Bäume mit glänzender Nässe überzog.
Nicht weit vom Ufer tauchte ein Seeotter aus dem Wasser. Nur sein kleines, schwarzes Köpfchen mit den flinken Augen war zu sehen, die sich sichernd nach allen Seiten umschauten. Vom Meer her drohte keine Gefahr. Sorgfältig überprüfte er jeden Meter des vor ihm liegenden Ufers. Auch das Land schien still dazuliegen.
Den Mann jedoch, der wie ein schwarzer Panter unsichtbar in den Schatten lauerte, mit dem Hintergrund verschmolz, übersahen selbst seine scharfen Sinne.
Beruhigt legte sich der Otter auf den Rücken, balancierte den mitgebrachten Stein auf seinem Bauch, benutzte ihn als Amboss für eine große Miesmuschel. Er packte sie mit beiden Händen und schlug sie immer wieder mit viel Kraft auf den Stein, bis sie endlich zerbrach. Geschickt fischte er das Fleisch aus den Trümmern, führte es mit beiden Händen zum Mund und schloss genüsslich die Augen, während er es mit lautem Schmatzen verspeiste. Lange, spitze Eckzähne blitzten in seinem Maul und wiesen ihn trotz seines putzigen Äußeren als gnadenlosen Jäger aus.
Plötzlich hob er den Kopf. Seine flinken, schwarzen Knopfaugen suchten das Ufer ab, von wo das Geräusch gekommen war. Der Otter zögerte keinen Augenblick. Mit einer schnellen Drehbewegung verschwand er im Wasser, lange bevor der Wächter sichtbar wurde.
Ein Maschinengewehr über der Schulter schritt er die hohe Mauer ab, die an dieser Stelle des Ufers fast bis an den Strand heranreichte.
Er merkte nicht, dass er beobachtet wurde. Nur das sanfte Glühen scharfer Augen wäre zu sehen gewesen, wenn er sich umgedreht und seine Aufmerksamkeit auf die tiefen Schatten unter den Bäumen hinter ihm gerichtet hätte.
Doch das tat er nicht, ging gebückt, unter dem Regen und der Kälte schaudernd, mechanisch seine Runde ab und zog den Kragen seines Wachstuchmantels noch ein wenig höher. Er hätte einen Angreifer auch dann nicht bemerkt, wenn er direkt neben ihm gestanden hätte.
,Verdammtes Scheißwetter', dachte er. Ärgerte sich maßlos, dass er sich von Giacomo hatte übers Ohr hauen lassen. Er hätte es sich gleich denken können, die Sache mit dem kranken Hund seiner Freundin war nur ein Vorwand, den Dienst bei diesem Schietwetter mit ihm zu tauschen. Das würde er ihm heimzahlen, gleich wenn er ihn morgen sah. Der Samstagabend in Gils Kneipe ging auf ihn, dafür würde er schon sorgen.
Die Augen in seinem Rücken verfolgten ihn, bis er hinter der nördlichen Ecke der Mauer ein paar hundert Meter weiter verschwunden war. Dann glitt der schwarze Schatten unter den Bäumen hervor, zog sich blitzschnell an der Mauer hoch und sprang geschmeidig über die oben einbetonierten Glasscherben. Lautlos ließ er sich in den Park hinunter und rannte über den Rasen.
Zwei riesige schwarze Doggen sprangen aus dem Dunkel auf ihn zu und winselten, als sie den Mann im schwarzen Tarnanzug erkannten. In freudiger Erregung aber ohne einen Laut, wie es ihnen beigebracht worden war, wedelten sie mit ihren nicht vorhandenen Schwänzen und leckten ihm die behandschuhten Hände.
Er streichelte ihnen die Köpfe. So gefährlich sie aussahen, so treu und liebevoll waren sie. Er würde sie vermissen, wenn er irgendwann abtauchen müsste. Jetzt allerdings waren sie ihm eher hinderlich. Mit einem leisen Zischen und einer knappen Handbewegung schickte er sie zurück in den Park.
Sein Ziel war ein kleiner säulengeschmückter Pavillon auf einem Hügel inmitten der weiten Rasenfläche. Ein idealer Ort für die Besprechung. Es war reiner Zufall, dass er diesen Plan rechtzeitig in Erfahrung gebracht hatte.
Zielsicher fand er eine Ritze im Schatten des verwitterten Gesteins, die er sich am Nachmittag beim Spiel mit den Hunden unauffällig angesehen hatte. Schnell klemmte er eine kleine Wanze dort hinein und verschwand so lautlos, wie er gekommen war.
Zurück in seinem Zimmer im Angestelltentrakt der weitläufigen Villa reinigte und trocknete er seine Kleidung und die Stiefel, so gut es ging. Der Regen, der ihm so willkommen war, weil er seine Spuren im Park verwischen würde, barg auch das Risiko, ihn durch den Schlamm und die Nässe seiner Kleidung zu
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