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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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Nagasaki 1925
    VOM FENSTER AUS sah Cho-Cho, wie die Rikscha am Fuß des Hügels hielt. Sie beobachtete, wie sie ausstiegen und den Weg zum Haus heraufkamen. Er in seiner weißen Uniform mit den in der Sonne funkelnden Knöpfen, sie in einem kurzen Kleid mit einem Muster aus grünen Blättern. Sie hätten einer dieser ausländischen Zeitschriften entstiegen sein können, die sie einmal gesehen hatte: das perfekte amerikanische Paar.
    Als die blonde Frau mit ihren viel zu hohen Absätzen umknickte, fasste er sie am Arm, aber sie schüttelte seine Hand ab und setzte den Weg ohne seine Hilfe fort.
    Neben dem niedrigen Tisch kniete der kleine Junge und spielte mit dem neuen Holzkreisel, warf ihn auf die lackierte Platte, um die roten und gelben Streifen zum Tanzen zu bringen. Doch es wollte ihm einfach nicht gelingen. Mit vorgeschobener Unterlippe probierte er es ein weiteres Mal. Sie hatte ihn für dieses Treffen mit größter Sorgfalt angekleidet, eines der wenigen Familienerbstücke hervorgeholt, die ihr geblieben waren: ein winziger Seidenkimono, kunstvoll bemalt und mit golddurchwirktem Garn in leuchtenden Farben bestickt. Dazu trug er weiße Socken mit einem abgetrennten großen Zeh. Um seine Stirn war ein steifes Seidenband geschlungen.
    In der Nische an der Wand hatte sie eine Schriftrolle aufgehängt, die mit schwungvollen Strichen ausgeführten Zeichen schimmerten schwach im Dämmerlicht. Darunter, in ein ordentlich gefaltetes, langes, schmales Stück dunkler Seide eingeschlagen, lag das Zeremonienschwert ihres Vaters. Sie konnte seine Stimme hören: Bushid o , der Kodex der Samurai. Ehrenvoll kämpfen. Ehrenvoll sterben, wenn man nicht länger mehr leben kann in Ehren.
    Heute war es an ihr, die Ehre zu verteidigen, das wusste sie. Und sie hatte die Absicht zu kämpfen. Sie fuhr über den dunklen Stoff, spürte den Stahl unter der Seide, auch sie in ihrem schwachen Körper musste wie Stahl sein. Mit zitternden Händen beugte sie sich nach unten und strich über den Kopf des Kindes, als würde sie einen Talisman berühren.
    Pinkerton blickte auf, als sich die Tür öffnete, noch bevor sie das Haus erreicht hatten. Er hörte, wie Nancy ein überraschter Laut entfuhr.
    Cho-Cho trug einen schimmernden weißen Kimono, dessen Saum in einer kleinen Schleppe auslief, ihre glatten, ebenholzschwarzen Haare waren kunstvoll frisiert und mit Perlen geschmückt. Ihre Lippen leuchteten scharlachrot in dem weiß geschminkten Gesicht. Die Augenlider waren gerötet, aber nicht etwa, weil sie geweint hatte, vielmehr hatte sie sie der Tradition entsprechend mit Karmesin umrandet. Sie schien von innen heraus zu glühen, wie sie so vor ihnen im Türrahmen stand. Im Vergleich dazu wirkte Nancy in ihrem knapp sitzenden Kleid und mit dem kleinen Hut plump und linkisch. Sofort überfiel ihn ein schlechtes Gewissen, weil er solche Vergleiche anstellte. Nancy war seine Verlobte. Cho-Cho entstammte einer Vergangenheit, die er am liebsten vergessen hätte.
    Nancy spürte seine Anspannung, sie warf ihm einen kurzen Blick zu, dann sah sie wieder Cho-Cho an. Sie ließ das Bild auf sich wirken, die Frau in Weiß, die wie eine Marmorstatue leuchtete, deren Hals ihr so zerbrechlich erschien wie ein Blütenstiel. Wie raffiniert von ihr, dachte sie mit widerstrebender Bewunderung. Unwillkürlich zupfte sie an ihrem engen Rock und straffte die Schultern: Zu Hause galt sie als die Hübscheste in der Familie.
    Als sie bei der Tür angelangt waren, verbeugte Cho-Cho sich stumm und forderte sie mit einer Geste auf einzutreten.
    »Wir sollten die Schuhe ausziehen«, murmelte Pinkerton.
    Schweigend ließ Nancy ihre hochhackigen Sandaletten auf den Boden fallen, ihre Miene verfinsterte sich. Mit seiner Anweisung verwies er auf eine Verbindung zwischen sich, dieser Frau und dem Haus und machte Nancy zu einer ganz gewöhnlichen Besucherin, die keine Ahnung von den Sitten und Gebräuchen des Landes hatte.
    Der Junge hielt seinem Vater den hölzernen Kreisel entgegen. »Komo!«
    Auf Pinkertons Gesicht erschien ein verlegenes Grinsen. Er nahm den Kreisel. »Komo?« , wiederholte er. »Na gut.«
    Unter den Blicken der beiden Frauen ging er neben dem Lacktisch in die Hocke.
    »Okay, Joey, dann pass mal auf!« Er ließ den Kreisel tanzen. Das Kind klatschte in die Hände, lachte, wollte, dass er es wieder machte. »Motto!«
    Eine Zeit lang war nur das Klappern des Holzspielzeugs auf der Tischplatte zu hören, während Pinkerton den Kreisel für seinen Sohn

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