Klassenfahrt zur Hexenburg
eilig, war
aber noch nicht weit. Hatte er gelauscht?
Lächelnd nahm sie Dubois’
Zettel.
„Vielen Dank!“ Dann folgte sie
einer plötzlichen Eingebung. „Diesem Alain bin ich, glaube ich, schon mal
begegnet. Er ist ziemlich frech. Soweit ich mich entsinne, war er in Begleitung
seines Freundes. So ein krummer Typ war das. Mit Geiergesicht.“
Dubois nickte und entließ einen
Seufzer durchs Bartgestrüpp. „Die beiden sind unsere Sorgenkinder: Alain
Defferre und Gaston Trigano. Man gibt sich alle Mühe mit ihnen. Aber ich
fürchte, sie sind auf der schiefen Bahn. Und die führt unaufhaltsam nach unten.
Was die andern Jugendlichen betrifft, haben wir beachtliche Erfolge. Man kann
sie wirklich bessern. Dir ist doch bekannt, um was für einen Club es sich hier
handelt?“
Gaby sagte, sie wisse das,
bedankte sich nochmals und schenkte dem netten Aufseher zum Abschied ein
Lächeln.
Eilig verließ sie das Lager.
Alain Defferre war nicht mehr
zu sehen. Die anderen Typen lungerten bei der ersten Baracke herum. Aber ohne
den Rotkopf benahmen sie sich gesittet. Mit Pöbelei lief nichts.
Wenn er gelauscht hat — wieviel
hat er verstanden?, überlegte sie. Mein Hinweis auf 22 Uhr — wie verräterisch!
Aber, Himmel, wer ahnt denn, dass dieser Alain zu Gaston, dem Geiertyp, gehört?
Gastons Kumpel müsste doch bei Madeleine sein. Und sie bewachen. So ein Mist!
Sie war beunruhigt. Aber ändern
konnte sie nichts.
Sie marschierte nach
Chicvillage zurück.
Der Weg war einsam. Zwar kam
sie an Villen vorbei. Aber die schirmten sich ab mit hohen Mauern. Was draußen
geschah, interessierte die Bewohner nicht.
Ein Penner kam ihr entgegen,
zerlumpt wie das Elend selbst und so betrunken, dass sogar die Moskitos ihn
mieden. Kopf und Gesicht erinnerten an eine Eidechse. Gaby erschrak, als sie
ihn aus der Nähe sah.
Mit ausgestreckter Hand
torkelte er auf sie zu.
eine milde Gabe... äh...
Mademoiselle“, brabbelte er.
Sie gab ihm genug für ein
weiteres Bier.
„Danke!“ Er wollte sich
verbeugen, was ihn beinahe das Gleichgewicht gekostet hätte. „Ich bin... äh...
George Arnaud, Mademoiselle, und entzückt... von Ihnen. Sie dürfen mich Leguan
nennen. Wie alle meine Freunde. Hübscher Spitzname, wie?“
„Bezaubernd!“, rief Gaby — und
machte, dass sie weiterkam.
Auch Arnaud, der Leguan, setzte
seinen Weg fort.
Er war alt, fast am Ende, hatte
kein Zuhause und hielt sich seit Wochen in dieser Gegend auf.
Das war nicht ohne Bedeutung.
7. Ossinsky mit neuem Gesicht
Haito war in mittlerem Alter,
klein und ziemlich fett. Niemand bestritt seine Fähigkeiten als Koch. Aber in
sein Gewissen passte allerhand rein. In seiner Küche wurden auch Produkte
verwendet, die nicht mehr ganz frisch waren. Einem Lebensmittelprüfer hätten
die Haare zu Berge gestanden. Heute vernachlässigte Haito die Küche. Er saß in
seinem Büro und tupfte sich Schweiß vom Gesicht. Wo Paul nur blieb!
Paul Ossinsky war ein
entfernter Verwandter seiner Frau Catherine, die sich seit gestern bei Freunden
in Marseille befand. Benachrichtigen? Haito hatte sich entschieden, das nicht
zu tun. Catherine kam erst morgen zurück. Dann war hoffentlich alles
überstanden.
Über Paul Ossinsky, der aus
Deutschland stammte, wusste Haito nicht genau Bescheid, ahnte aber, dass der
seinen Unterhalt auf zweifelhafte Weise verdiente. Zu oft hatte er sich hier im
Restaurant mit gefährlich aussehenden Typen getroffen. Außerdem hatte sich Paul
einer kosmetischen Operation unterzogen und sein Gesicht total verändert. Er
sah jetzt völlig anders aus, behauptete aber, ihn hätten nur seine Falten
gestört. Haito hatte nie Falten an ihm bemerkt, denn Ossinsky war erst 38 und
rauchte nicht viel. Besonders auffällig war allerdings, dass er auch seinen
Namen gewechselt hatte. Neues Gesicht — hatte er gesagt — neuer Name, neues
Leben! Jetzt nannte er sich Martin Reinbold — und bestand auf diese Anrede.
Haito hatte Madeleines Rad im
Hof gefunden. Auch den Geigenkasten samt Inhalt. Kein Zweifel! Sie war entführt
worden, seine einzige Tochter. Ihren achten Geburtstag hatte sie letzte Woche
gefeiert. Sie war ein hübsches Kind, Musikalität ihr angeboren.
Er hörte Schritte vor der Tür.
Martin Reinbold, alias Ossinsky, trat ein. Schnaufend ließ er sich in einen
Sessel fallen.
„Hab ich mich beeilt! Was ist
denn los? Wo brennt’s? Hast dich am Telefon benommen, als ginge die Welt
unter.“
„Leider es so seien, Martin“,
nickte Haito.
Der Ganove war
Weitere Kostenlose Bücher