Klassenfahrt zur Hexenburg
neben ihm liegen.
Arnaud, der Leguan, begriff.
Kein Tier! Sondern... Jemand hatte was aus dem Wagen geworfen. Abfall?
Er brauchte nur die Hand
auszustrecken. Verwundert fühlte er das Leder einer gefüllten Tasche. Sie roch
neu.
Und so was wurde weggeworfen?
Er richtete sich auf, öffnete
den Reissverschluss und griff hinein. Trotz alkoholischer Benommenheit und
totalem Mangel an Licht erkannte er den Inhalt sofort.
Banknoten! Gebündelte
Banknoten.
Bis zum Ellbogen tauchte er
hinein.
Jetzt hätte er einen Cognac
gebraucht. Oder wenigstens ein Glas vom billigsten Rotwein.
Aber auch ohne diese Stärkung
wurde ihm klar: Dieses Geld war für irgendwen bestimmt, der hier an der krummen
Pinie gleich auftauchen würde. Oder schon in der Nähe war.
Arnaud, der Penner, genannt
Leguan, zögerte keinen Augenblick. Geduckt und mit der Tasche unterm Arm
hechelte er über die Fahrbahn. Auf der anderen Seite war ein Kiefernwald.
Arnaud tastete sich unter die
Bäume, verhielt und blickte zurück. Tatsächlich! In der Schwärze der Nacht
tanzte das abgeschirmte Licht einer Taschenlampe. Jemand suchte.
Arnaud grinste. Quer durch den
Wald stolperte er weiter. Sein Gehirn klarte auf. Jetzt wusste er, was diese
Sache bedeutete.
Es musste Lösegeld sein. 300
000 Dollar!
Das Lösegeld für die kleine
Madeleine Nagusaki.
Von den Ereignissen wusste er.
Weggeworfene Zeitungen fischte er aus den Papierkörben. Immer auf dem Laufenden
zu sein, darauf legte er Wert. Jetzt zahlte es sich aus.
Und mir fällt das Geld in den
Schoß!, dachte er.
Dass er mit dem Entschluss, das
Geld für sich zu behalten, auch den Tod des Kindes in Kauf nahm, war ihm klar.
Aber was ging ihn der Kidnapper an — oder die Tochter dieses Kochs?
Arnaud, der Penner, hielt die
Unterschlagung für risikolos. Woher sollte er auch wissen von dem winzigen
Peilsender, der in den Boden der Tasche eingenäht war?
*
„Dort bei dem Wagen können Sie
uns absetzen“, sagte Kommissar Godard.
Haito nickte. Er saß am
Lenkrad. Es war sein Fahrzeug. Er hatte darauf bestanden, selbst zu fahren.
Doch die Angst um Madeleine schien ihn zu versteinern.
Hinter den beiden Männern, im
Fond also, saßen Tim und Gaby. Das war ungewöhnlich. Aber niemand hätte
behauptet, sie wären unbeteiligt — nach allem, was sie getan hatten für die
Rettung der kleinen Madeleine. Zu Kommissar Godard, der von den beiden
begeistert war, bestand inzwischen ein enger Kontakt.
Eben hatte Tim die Geldtasche
bei der krummen Pinie, einem Wahrzeichen an der Straße, hinausgeworfen. Sie
waren weitergefahren, hatten schließlich gewendet und kehrten jetzt nach
Chicvillage zurück.
Wie vom Kidnapper bei dessen
zweitem Anruf gefordert, hatte sich die Polizei bis jetzt rausgehalten —
offiziell jedenfalls. Heute Abend war Godard allerdings stur geblieben. Als er
und das Pärchen dem Japaner die Tasche mit dem gespendeten Lösegeld brachten,
hatten die drei auf Mitfahrt bestanden.
Von dem Geld hatte Haito keinen
Schein gesehen. Von dem Peilsender wusste er nichts. Der Koch schöpfte auch
keinen Verdacht, als die drei jetzt — nachdem er sie abgesetzt hatte — in einen
Kleintransporter stiegen, der wie der Übertragungswagen einer Fernsehstation
aussah.
Haito fuhr weiter über die
Zubringer-Straße, hielt hinter seinem Fisch-Restaurant und sah sich um. Der
Parkplatz war leer, das Haus nur spärlich beleuchtet, das Restaurant zur Zeit
geschlossen.
Als er durch die Hintertür
trat, kam ihm Catherine, seine Frau, entgegen. Sie war längst aus Marseille
zurück und jetzt totenbleich.
„Haito! Es ist schief
gegangen.“
„Was? Was du meinen?“ Eilig
watschelte er in die rückseitig gelegene Privatwohnung, wo Martin Reinbold,
alias Paul Ossinsky, in einem Sessel saß, verschwitzt und mit verdreckten
Klamotten.
„Glotz mich nicht so an, Haito!
Ich habe die verdammte Tasche nicht gefunden.“
„Was? Was du sagen? Deine Idee
gewesen, Tasche dort rauswerfen, wo keine Polizei, wo nur Dunkelheit, wo
Erpresser verschwinden kann.“
Der Dealer verdrehte die Augen.
„Jetzt bin ich schuld, was? Zum
Teufel! 300 Meter neben der Straße habe ich gelauert. Ich habe deinen Wagen
gesehen, Haito. Ich meine auch, ich habe den Aufprall der Tasche gehört. Ich
schlich hin und suchte. Auf den Knien bin ich gerutscht. Eine Ewigkeit. Ich
habe die Taschenlampe benutzt und Kopf und Kragen riskiert. Aber die Tasche war
nicht da.“
Haito presste seine gelben
Hände aneinander. „Unmöglich! Kann
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