Klassenfahrt zur Hexenburg
nicht sein alles umsonst. Ich brauchen das
Geld. Ich brauchen für Schulden. Sonst wir kaputt.“
Catherine zitterte. „Ich war ja
so froh, Martin, über deinen Trick. Und alles hat so gut geklappt. Du warst
rechtzeitig in der Rue Corniche, Madeleine war noch bewusstlos. Sie hat nicht
gespürt, dass du sie weggebracht hast. Die Spendenaktion lief gut. Und jetzt
das! Was nun? Wenn der angebliche Kidnapper kein Geld erhält, gibt er doch
Madeleine nicht zurück! Wie sollen wir ihre Rückkehr begründen? Die Tasche muss
doch dort sein!“
„Sie ist verschwunden!“ Der
Dealer schlug auf den Tisch. „Kannst es mir glauben. Vielleicht war da ein
streunender Hund, und der hat sie weggeschleppt. Jedenfalls — Madeleine kann
nicht länger in meiner Wohnung bleiben. Sie ist schon misstrauisch geworden,
weil ihre Eltern nicht kommen.“
Was das Kind betraf, hatte sich
Ossinsky eine wirkungsvolle Lüge ausgedacht. Madeleine befand sich in einem
finsteren Raum, lag dort im Bett und ihre Augen waren verbunden. Als sie aus
ihrer — mit Chloroform verursachten — Bewusstlosigkeit erwachte, hatte Ossinsky
mit verstellter Stimme geredet. Er gab sich als Arzt aus und erklärte dem Kind,
es befinde sich im Krankenhaus. Die Augen wären verletzt. Auf keinen Fall dürfe
es die Binde abnehmen. Madeleine glaubte das und fügte sich jeder Anordnung.
„Ich haue jetzt ab.“ Der
Verbrecher stand auf. „Ich bringe Madeleine an den Strand, wie es der Kidnapper
angeblich versprochen hat. Hinterm Pavillon setze ich sie auf eine Bank. In
einer Stunde holt ihr eure Tochter ab. Die Bullen können keinen Verdacht
schöpfen. Woher sollen die wissen, dass der Kidnapper das Geld nicht gekriegt
hat. Und falls es doch noch gefunden wird, ist die Erklärung nicht euer
Problem. Und mich — ich sag’s noch mal — werdet ihr mit keinem Wort erwähnen.
Ich bin überhaupt nicht vorhanden. Falls dieser Bengel nach mir fragt — ich bin
abgereist nach Deutschland und mein Name ist Martin Reinbold. Alles klar?“
10. Reinbolds Behausung
Catherine schloss die Hintertür
ab und folgte ihrem Mann, der schon neben dem Wagen stand.
Beide verharrten dann. Sie
blickten zur Zubringer-Straße, über die sich der seltsame Kleintransporter
näherte. Er hielt. Kommissar Godard, Tim und Gaby stiegen aus.
„Kommissar! Sie kommen
rechtzeitig!“
Haito bemühte sich, Jubel in
seine Stimme zu legen.
Catherine stimmte ein, indem
sie rief: „Vor zwei Minuten hat der Kidnapper angerufen. Wir können Madeleine
abholen. Er hat sie am Strand ausgesetzt, hinterm Pavillon. Nun wird doch alles
gut.“
Godard starrte die beiden an.
Dann wandte er sich an Tim und Gaby.
„Habt ihr das gehört?“
Gaby nickte. Nur die Lampe über
der Hintertür brannte. Der Schein fiel auf Gabys Gesicht. Sie sah traurig aus.
Tim fühlte sich, als hätte er
einen Schlag vor den Magen erhalten. Sachen gibt’s, dachte er. Also, die gibt’s
gar nicht.
Godard spürte weder Trauer noch
Übelkeit. Er unterdrückte seine Wut.
„Gerade wollten wir Ihnen
mitteilen“, sagte er, „dass wir vor einer Stunde den Kidnapper gefasst haben:
einen Penner namens George Arnaud, genannt Leguan. Ein Peilsender im Boden der
Tasche hat uns zu ihm geführt. Allerdings: Der Typ — ein Penner — bestreitet
alles. Wir fürchteten schon das Schlimmste für Madeleine. Denn in dem Schuppen,
wo er haust, ist von ihr keine Spur.“
„Vor... vor... einer Stunde?“,
stammelte die Frau.
„Allerdings“, nickte Godard,
„und jetzt glaube ich Arnauds seltsame Geschichte. Er sagte nämlich, das Geld
wäre ihm zufällig vor die Füße gefallen.“
„Dann hat aber der wirkliche
Kidnapper das Geld nicht erhalten“, sagte Tim. „Wieso, Madame Nagusaki, gibt er
Madeleine trotzdem frei? Oder können Sie das beantworten, Monsieur Haito?“
*
Der Coup war misslungen. Der
Japaner und seine französische Ehefrau wussten es. Bei ihr machten die Nerven
schlapp. Geständnis. Und Haito ergänzte radebrechend, was da gelaufen sei.
Natürlich konnten sie Madeleines Versteck nicht unter den Teppich kehren: das
zweite Versteck, denn aus dem Haus Rue Corniche 106 war ja das kleine Mädchen
weggeholt worden.
Tim fiel auf, wie die beiden
jetzt rumdrucksten. Aber dann entschloss Catherine sich zur — scheinbar ganzen
— Wahrheit.
„Unser Kind ist bei Martin
Reinbold. Ist dort in guten Händen. Madeleine glaubt, es wäre ein Krankenhaus
und..
Sie erzählte.
„Wer ist Martin Reinbold?“,
fragte
Weitere Kostenlose Bücher