Klassenfahrt zur Hexenburg
ballistisch zu untersuchen. Haben wir
getan. Und dabei festgestellt, dass es aus Ossinskys Pistole stammt. Denn mit
der — einer russischen Smisswessolowskaja — hat er schon mal einen Menschen
verletzt: einen französischen Gendarmen, der ihn bei einer Straßenkontrolle
erkannte. Der Gendarm wurde in den Oberarm getroffen, aber Ossinsky konnte
natürlich entkommen.“
„Natürlich!“, nickte Tim und
überlegte: Soll ich’s ihm sagen, dass wir nach Chicvillage reisen? Nee, lieber
nicht. Sonst wird Gabys Vater mit der Nase drauf gestoßen — und dann ist unsere
Reise endgültig geplatzt.
*
Am Morgen der Abreise wurde
Gaby von Annette Blechle angerufen, die zur Zeit ihre etwa viertbeste Freundin
war.
Annette besuchte nicht die
TKKG-Schule im Süden der Millionenstadt, sondern das Theresien-Gymnasium, eine
Mädchenschule, an der sie Klassensprecherin war in der 9a.
Jetzt, am Telefon, kiekste ihre
Stimme vor Aufregung. „Gaby, mit unserer Anti-Raucher-Kampagne auf den
Schulhöfen haben wir den ersten Umweltpreis gewonnen.“
„Gratuliere!“, rief Gaby. „Ist
toll. Und ihr habt das verdient. War ja eine Riesenmühe für euch.“
„Zur Belohnung dürfen wir gleich
nach den Ferien eine Klassenfahrt machen. Nach Kryzcincla, zu der weltberühmten
Hexenburg.“
„Spitze! Davon habe ich gehört.
Liegt an der tschechischen Grenze, nicht wahr? Soll ja ein sehr unheimliches
Gemäuer sein.“
„Und wie! Die Innenausstattung
besteht aus ungezählten menschlichen Knochen. Aus Gebeinen. Aus den sterblichen
Überresten, die man dort massenhaft in Gräbern gefunden hat. In Gräbern des 13.
und 14. Jahrhunderts.“
„Das wäre was für TKKG. Das
würden wir uns auch gern mal ansehen.“
„Für dich kein Problem, Gaby“,
lachte Annette. „Tim, Karl und Klößchen müssen sich allerdings noch gedulden.
Oder auf eigene Kosten hinreisen.“
„Wie meinst du das — für mich
kein Problem?“
„Weil du eingeladen bist. Du
sollst mit uns fahren. Schließlich hast du dich in jeder freien Minute an
unserer Kampagne beteiligt. Und deine tollen Ideen — das Bild mit der
verkleisterten Lunge und den Nikotinwürmern in den Bronchien — das hat ja total
den Erfolg ausgelöst. Das war ein unverzichtbarer Beitrag — sagt die
Käthenring.“
Dr. Helga Käthenring war die
Klassenlehrerin der Theresien-9a.
„Halb so schlimm“, wehrte Gaby
bescheiden ab. „Aber wie soll denn das laufen mit der Klassenfahrt? Ich habe
doch Schule.“
„Kein Problem. Die Käthenring
wird sich mit eurer Schulleitung ins Benehmen setzen, sagt sie so. Hihih! Und
dich loseisen für die drei Tage. Dann bist du unser Gast, und ich freue mich irrsinnig.“
„Ich mich auch“, lachte Gaby.
„Mehr als irrsinnig. Dann habe ich ja ein Superprogramm für die nächste Zeit.
Erst die tolle Ferienreise mit Tim nach Chicvillage — das muss ich dir gleich
erzählen — und dann mit euch nach... Uih! Soviel am Stück war ich nie
unterwegs.“
4. Gefährlicher Fisch
Der Empfangschef vom Hotel
MIRAMAR hieß Albert Müller, nannte sich aber Albääärrr Müllääärrr — befand er
sich doch im berühmten Badeort Chicvillage an der französischen
Mittelmeerküste, der Côte d’Azur. Heute hatte er Gelegenheit, wieder mal
deutsch zu sprechen: mit zwei jungen Hotelgästen.
„O ja, ich bin sehr zufrieden“,
antwortete Gaby auf seine Frage. „Mein Zimmer ist prachtvoll. Und in dem
französischen Doppelbett könnte ich zu dritt schlafen, wenn ich ein Drilling
wäre. Alles in Butter, Monsieur Müller. Fühlen Sie sich als Deutscher hier
wohl?“
Müller bestätigte, er fühle
sich sehr wohl, arbeite nämlich schon seit zwölf Jahren in Südfrankreich und
spreche bald besser französisch als deutsch.
Dann erkundigte er sich, wie es
Gabys Vater gehe, denn die Buchung für das Glocknersche Doppelzimmer war
storniert, war rückgängig gemacht worden. Und Müllääärrr hatte erfahren
weshalb.
Es war später Nachmittag, die
Hotelhalle angenehm kühl. Draußen weichten die Straßen auf unter der
Sonnenglut.
Tim und seine Freundin trugen
hitzegünstige Klamotten und hatten sich mit Sonnenbrillen ausgerüstet.
Als Erstes, dachte der
TKKG-Häuptling, müssen wir dieses Haito-Restaurant beäugen. Das sind wir Gabys
Vater schuldig, und Ferien ohne detektivische Ermittlung wären ja geradezu
stressig.
Monsieur Müller hörte
erleichtert, dass Kommissar Glockner wieder auf dem Wege der Besserung sei. Für
die Côte d’Azur-Woche wünschte er
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