Klassentreffen
sah ich, wie sie den Fahrradschlüssel aus Isabels Hosentasche holte, ihre Leiche zu der Grube schleppte und sie hineinrollen ließ. Sie warf Isabels Tasche und die Jacke, die noch neben dem Baum lagen, dazu, und bedeckte alles mit Sand.
Ich stolperte zurück zu meinem Rad. Wie betäubt von dem, was da hinter mir passiert war. Aber Sabine zwei dachte nüchtern und praktisch. An der Imbissbude schloss sie Isabels Rad auf und lenkte es, einhändig fahrend, zum Bahnhof. Mit dem Schlüssel im Schloss würde es da nicht lange stehen bleiben.
Dann ließ sie mich im Stich; ich musste allein nach Hause fahren. Die Strecke über die Lange Vliet zog sich endlos hin. So fest ich auch in die Pedale trat, Isabels Gesicht verfolgte mich. Meine Gedanken überschlugen sich, und ich zitterte am ganzen Körper, weil ich es einfach nicht glauben konnte. Vielleicht ist das die Erklärung: Ich weigerte mich zu glauben, dass ich zu solch einer grausigen Tat imstande gewesen war.
Lange Zeit hat es funktioniert. Wie so etwas möglich ist, weiß ich nicht, aber nach ein paar Tagen war ich fest davon überzeugt, nie und nimmer so etwas getan zu haben.
Ich drehe mich um und gehe langsam zwischen den Bäumen hindurch zum Waldweg. Allein.
Das Mädchen ist fort, für immer. Ich brauche sie nicht mehr. Wir haben beide gesehen, was dicht unter der Oberfläche, aber doch gut verborgen war. Ich glaube nicht, dass ich das ein zweites Mal von mir schieben kann, weder in Spanien noch in London noch sonstwo auf der Welt.
Aber versuchen werde ich es.
Taschenbucherstausgabe 05/2007
© 2004 Simone van der Vlugt Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2006
und dieser Ausgabe by Diana Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion | Christiane Burkhardt
München – Zürich, Teresa Mutzenbach, unter Verwendung
der Fotos von © Peter Lilja/© Michael Wildsmith/Getty Images
Herstellung | Helga Schörnig
eISBN : 978-3-641-03398-9
http://www.diana-verlag.de
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